Der Minderjährige im Erbrecht

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Ein Minderjähriger kann eine Erbschaft machen
  • Ein Testament kann ein Minderjähriger erst ab 16 Jahren errichten
  • Beim Pflichtteil eines Minderjährigen sind Besonderheiten zu berücksichtigen

Im deutschen Recht genießt der Minderjährige besonderen Schutz.

Kinder unter sieben Jahren sind geschäftsunfähig und grundsätzlich nicht in der Lage, wirksam rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben, § 104 Nr. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Vom siebten bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs besteht für Minderjährige die so genannte beschränkte Geschäftsfähigkeit.

Minderjährigenschutz wirkt sich auf das Erbrecht aus

Minderjährige in dieser Altersgruppe können nach den Bestimmungen des BGB rechtsgeschäftliche Erklärungen dann wirksam abgeben, wenn mit der Erklärung für sie lediglich rechtliche Vorteile verbunden sind.

Ist mit dem Rechtsgeschäft für den Minderjährigen ein rechtlicher Nachteil verbunden, so bedarf es für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, in aller Regel der Eltern, § 107 BGB i.V.m. § 1629 BGB.

Dieser im Gesetz formulierte Minderjährigenschutz wirkt sich auch auf zahlreiche erbrechtliche Fallkonstellationen aus. Nachfolgend sollen daher die wichtigsten Aspekte des Minderjährigenrechts im Erbrecht dargestellt werden.

Der Minderjährige will ein Testament erstellen oder einen Erbvertrag abschließen  

Ein Minderjähriger kann ein Testament errichten, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat. Er kann das Testament jedoch lediglich als so genanntes öffentliches Testament durch Erklärung gegenüber einem Notar oder durch Übergabe eines offenen Schriftstückes an den Notar zu errichten.

In beiden Fällen hat der Notar den testierwilligen Minderjährigen zu seinem eigenen Schutz vor überstürzten Aktionen zu belehren. Hat Minderjähriger, der noch nicht das 16.Lebensjahr vollendet hat, ein Testament errichtet, so ist dieses unheilbar nichtig.

Einen Erbvertrag kann der Minderjährige grundsätzlich nicht abschließen, § 2275 Abs. 1 BGB. Eine Ausnahme macht das Gesetz für den Fall, dass ein beschränkt geschäftsfähiger Ehegatte als Erblasser mit seinem Ehegatten einen Erbvertrag abschließen will.

Wann müssen die Eltern einem Erbvertrag zustimmen?

Hierzu reicht grundsätzlich die beschränkte Geschäftsfähigkeit aus. Nach § 1303 BGB kann ein Minderjähriger nach Vollendung des 16. Lebensjahres mit Einwilligung des Familiengerichts die Ehe eingehen.

Demnach kommt der Abschluss eines Erbvertrages durch einen minderjährigen Ehegatten frühestens ab Vollendung des 16. Lebensjahres in Betracht.

Zum wirksamen Abschluss eines Erbvertrages bedarf der Minderjährige aber in jedem Fall der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, in aller Regel der Eltern, § 2275 Abs. 2 BGB.

Der Minderjährige als Erbe  

Selbstverständlich kann auch ein Minderjähriger Erbe werden. Nach § 1923 BGB kann jeder, der zum Zeitpunkt des Erbfalls lebt, Erbe sein. Sogar ein so genannter nasciturus, also ein zum Zeitpunkt des Erbfalls zwar noch nicht geborener aber bereits gezeugter Mensch, ist nach dem deutschen Erbrecht erbfähig.

Allerdings bedarf der Minderjährige zur Annahme der Erbschaft der vorherigen Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters, regelmäßig der Eltern. Die Annahme der Erbschaft kann auch stellvertretend durch die gesetzlichen Vertreter erklärt werden.

Wird die Annahme der Erbschaft nicht ausdrücklich erklärt, dann gilt die Erbschaft auch von einem Minderjährigen nach Ablauf der Ausschlagungsfrist von Gesetzes wegen als angenommen.

Gesetzliche Haftungsbeschränkung für den Minderjährigen

Der Minderjährige ist allerdings durch eine Vorschrift des Familienrechts geschützt, soweit die von ihm angenommene Erbschaft nicht nur positive Aspekte mit sich bringt, so zum Beispiel überschuldet ist.

Nach § 1629 a BGB beschränkt sich nämlich die Haftung des Minderjährigen aus der Erbschaft auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögen des Minderjährigen.

Für die Ausschlagung einer Erbschaft gilt sinngemäß dasselbe, wie für eine Annahmeerklärung. Auch für die Ausschlagung bedarf der Minderjährige der vorherigen Einwilligung seines gesetzlichen Vetreters.

Der Minderjährige will seinen Pflichtteil geltend machen  

Die Konstellation, dass Minderjährige Pflichtteilsansprüche geltend machen können, kommt durchaus häufiger vor. Insbesondere das in Deutschland immer noch weit verbreitete so genannte Berliner Testament kann zu Pflichtteilsansprüchen des Minderjährigen führen.

Sieht das klassische Berliner Testament doch vor, dass sich die Eltern zunächst gegenseitig als alleinige Erben einsetzen – und die Kinder damit enterben.

Mit testamentarischem Ausschluss von der Erbfolge entsteht für das Kind in diesem Fall ein Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

Eltern befinden sich im Interessenwiderstreit

Die Eltern befinden sich in diesem Fall in einem Interessenwiderstreit: Auf der einen Seite obliegt den Eltern nach § 1629 BGB die elterliche Sorge für das Kind.

Sie haben die alleinige Vertretungsmacht und haben für das Kind auch die so genannte Vermögenssorge wahrzunehmen. Im Interesse des minderjährigen Kindes liegt es möglicherweise, den ihm zustehenden Pflichtteilsanspruch geltend zu machen und durchzusetzen.

Auf der anderen Seite würde sich der Pflichtteilsanspruch ja gegen den überlebenden Elternteil richten. Eine Situation, die der überlebende Ehegatte regelmäßig tunlichst vermeiden will, sollen doch die Kinder beim Berliner Testament erst nach dem Ableben des länger lebenden Ehegatten zum Zuge kommen.

Elternteil die Vertretungsmacht für das Kind entziehen?

In Frage käme hier, dem überlebenden Ehegatten in der Frage der Geltendmachung des Pflichtteils die Vertretungsmacht zu entziehen, § 1629 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1796 BGB.

Dies wird jedoch nur im Ausnahmefall für möglich erachtet, beispielsweise wenn der überlebende Ehegatte für ein Kind (gegen sich selber) einen Pflichtteilsanspruch geltend macht und für ein anderes Kind ohne triftigen Grund nicht.

Ein Ausnahmefall dürfte auch gegeben sein, wenn der überlebende Ehegatte den Pflichtteilsanspruch des minderjährigen Kindes nicht nur nicht geltend macht, sondern durch entsprechende Transaktionen oder seinen Lebenswandel wirtschaftlich entwertet.

Soweit die Kindesinteressen gefährdet werden, kann über einen Entzug des Vertretungsrechts und die Einsetzung eines Ergänzungspflegers durch das Familiengericht nachgedacht werden.

Jedenfalls unzulässig wäre ebenfalls, wenn der überlebende Ehegatte einen Erlassvertrag mit sich selber als Vertreter des Kindes hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs abschließt.

Verjährung des Pflichtteils wird suspendiert

Aber selbst wenn der Minderjährige seinen Pflichtteilsanspruch gegen den eigenen Vater oder die eigene Mutter für die Zeit der Minderjährigkeit in aller Regel nicht wird durchsetzen können, so ist er doch nicht rechtlos gestellt.

Niemand wird den Pflichtteilsberechtigten nämlich mit Erreichen der Volljährigkeit daran hindern können, seinen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen und durchzusetzen.

Eine Verjährung des Pflichtteilsanspruchs kommt nämlich nach § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB jedenfalls bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres durch das Kind nicht in Betracht.

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