Die Reform des Erbrechts zum 01.Januar 2010

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Die Gründe, die eine Entziehung des Pflichtteils rechtfertigen, werden neu gefasst
  • Der Pflichtteil verjährt in drei Jahren
  • Schenkungen des Erblassers führen nicht immer zur Pflichtteilsergänzung

Bereits im Sommer 2009 hat der Gesetzgeber beschlossen, einige Vorschriften des Erbrechts zu ändern.

Die gesetzgebenden Organe haben dem Gesetz bereits zugestimmt, es wird am 01.Januar 2010 in Kraft treten.

Nach den Worten der für das Reformvorhaben noch zuständigen Bundesministerin Zypries soll die Reform unter anderem denjenigen Erben helfen, deren Erbe im Wesentlichen aus nur einem Vermögensgegenstand besteht und die bei Inanspruchnahme durch einen Pflichtteilsberechtigten dem Grunde nach gezwungen wären, diesen einen geerbten Vermögensgegenstand zur Befriedigung des Pflichtteilsberechtigten zu veräußern.

Pflege des Erblassers beeinflusst den Pflichtteil

Weiter soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Erbschaftsreform auch für all diejenigen Personen verbesserte Regeln schaffen, die nahe Angehörige zuweilen über einen langen Zeitraum pflegen. Im Rahmen des Erbausgleichs unter mehreren Erben sollen zukünftig solche Pflegeleistungen erleichtert zur Anrechnung gebracht werden können.

Schließlich wurden auch die Verjährungsvorschriften für erbrechtliche Ansprüche im BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) grundlegend geändert.

Unter anderem folgende Regelungen werden mit der Erbrechtsreform 2010 in Kraft treten:

Pflichtteilsentziehung

Bereits heute sieht das BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) in den §§ 2333, 2334 und 2335 BGB Regelungen für die Entziehung des Pflichtteils von Abkömmlingen, Eltern oder des Ehegatten vor.

Diese ehedem für die jeweilige Gruppe von Pflichtteilsberechtigten (Abkömmlinge, Eltern oder Ehegatte) verschiedenartigen Regelungen werden mit der Reform nunmehr vereinheitlicht.

Zukünftig kann der Pflichtteil in Testament oder Erbvertrag entzogen werden, wenn

  • der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person (z.B. Pflege- oder Stiefkind, langjähriger Lebensgefährte) nach dem Leben trachtet,
  • sich der Pflichtteilsberechtigte eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser, den Ehegatten des Erblassers, einen anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person (z.B. Pflege- oder Stiefkind, langjähriger Lebensgefährte) schuldig macht,
  • der Pflichtteilsberechtigte eine ihm gegenüber dem Erblasser gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt, oder wenn
  • der Pflichtteilsberechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Das Gleiche gilt, wenn die Unterbringung des Pflichtteilsberechtigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.

Ab 2010 werden demnach in Zusammenhang mit der Pflichtteilsentziehung auch solche Straftaten erfasst, die sich nicht direkt gegen den Erblasser richten.

Der Pflichtteilsentziehungsgrund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ entfällt ab dem 01. Januar 2010 ersatzlos.

Stundung des Pflichtteils

Bereits der bisherige § 2331 a BGB sah für den pflichtteilsberechtigten Erben die Möglichkeit vor, beim Nachlassgericht die Stundung des Pflichtteilsanspruchs zu verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs ihn ungewöhnlich hart treffen würde.

Ab 2010 kann jeder Erbe, also nicht nur der pflichtteilsberechtigte Erbe, die Stundung des Pflichtteilsanspruchs verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des Anspruchs für ihn eine „unbillige Härte“ wäre.

Freilich sind auch nach der Gesetzesänderung, die im Prinzip die Einräumung der Stundung erleichtern soll, immer auch die berechtigten Interessen des Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen.

Auschlussfrist für Pflichtteilsergänzungsanspruch

Bisherige Rechtslage in § 2325 Abs. 3 BGB war, dass der Pflichtteilsberechtigte einen so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen konnte, wenn der Erblasser während der letzten zehn Jahre einem Dritten ein Geschenk gemacht hatte.

Der Wert des Geschenkes wurde fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet und der so erhöhte Nachlasswert war Grundlage für die Bemessung des Pflichtteilsanspruchs.

Ab dem Jahr 2010 wird diese starre 10-Jahres-Frist aufgebrochen und flexibler gestaltet. Zukünftig wird die Schenkung nämlich nur innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in voller Höhe berücksichtigt. Innerhalb jeden weiteren Jahres „schmilzt“ der zu berücksichtigende Wert der Schenkung um 10%. Nach zehn Jahren bleibt die Schenkung dann wieder vollkommen unberücksichtigt.

Bei Schenkungen unter Eheleuten verbleibt es allerdings dabei, dass die Frist nicht vor Auflösung der Ehe zu laufen beginnt.

Pflegeleistungen beim Erbausgleich

Im Rahmen der Erbauseinandersetzung soll ab 2010 derjenige Abkömmling einen Ausgleichsanspruch gegenüber anderen Abkömmlingen haben, der den Erblasser während einer längeren Zeit gepflegt hat.

Anders als bisher kommt es ab 2010 nicht mehr darauf an, dass diese Pflegeleistungen gleichzeitig einen Verzicht auf berufliches Einkommen bedeutete.

Auf diesem Weg sollen insbesondere Pflegeleistungen, die durch Abkömmlinge erbracht wurden, im Rahmen von Erbauseinandersetzungen in stärkerem Ausmaß berücksichtigt werden.

Verjährung von erbrechtlichen Ansprüchen

Das BGB (Bürgerliche Gesetzbuch) sah für erbrechtliche Ansprüche bisher eine Verjährung von 30 Jahren vor. Seit der Reform des Erbrechts zum 01.01.2010 gilt ab 2010 für erbrechtliche Ansprüche eine Regelverjährung von drei Jahren. Diese Frist beginnt mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsinhaber von seinem Anspruch Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Die erbrechtliche Verjährung wurde damit der Regelverjährung angepasst, die seit der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2001 gilt. Nur in gesetzlich angeordneten Ausnahmefällen gilt im Erbrecht noch eine längere Verjährungsfrist von dreißig Jahren.

Die dreißigjährige Verjährungsfrist gilt gem. § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch für folgende erbrechtliche Ansprüche:

  • Herausgabeanspruch des rechtmäßigen Erben gegen den so genannten Erbschaftsbesitzer, § 2018 BGB
  • Herausgabeanspruch des Nacherben gegen den Vorerben, § 2130 BGB
  • Herausgabeanspruch hinsichtlich eines unrichtigen Erbscheins des wirklichen Erben gegen den Besitzer des unrichtigen Erbscheins, § 2362 BGB

Von der dreijährigen Verjährungsfrist sind seit der Reform 2010 beispielsweise folgende Ansprüche betroffen:

  • Schadensersatzansprüche gegen Testamentsvollstrecker
  • Vergütungsansprüche des Testamentsvollstreckers
  • Schadensersatzansprüche gegen Betreuer, Pfleger oder Vormund
  • Ansprüche aus Vermächtnis

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