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§ 2333 BGB - Entziehung des Pflichtteils

Von: Dr. Georg Weißenfels

§ 2333 BGB - Entziehung des Pflichtteils

(1) Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling

1. dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet,

2. sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Nummer 1 bezeichneten Personen schuldig macht,

3. die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder

4. wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für die Entziehung des Eltern- oder Ehegattenpflichtteils.

Der Pflichtteil ist ein gesetzlich garantiertes Recht naher Angehöriger bzw. des Ehegatten auf Teilhabe am Nachlass des Erblassers. Selbst wenn der Erblasser in seinem Testament angeordnet hat, dass eine pflichtteilsberechtigte Person von der Erbfolge ausgeschlossen sein soll, erhält der Pflichtteilsberechtigte eine Mindestbeteiligung am Nachlass in Höhe des Wertes der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils, § 2303 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Die gesetzliche Regelung zum Pflichtteil nimmt dem Erblasser zu einem guten Stück seine Entscheidungsfreiheit, was nach seinem Ableben mit seinem Vermögen geschehen soll. Der gesetzlich garantierte Pflichtteil schränkt die Testierfreiheit des Erblassers ein. Wenn der Erblasser einen nahen Angehörigen oder seinen Ehegatten im Erbfall von seinem Nachlass fernhalten will, so durchkreuzt das Pflichtteilsrecht regelmäßig die Pläne des Erblassers.

§ 2333 BGB zieht aber zugunsten des Erblassers eine Grenze in Bezug auf die Einschränkung der Testierfreiheit. Für bestimmte Lebenssituationen akzeptiert das Gesetz in § 2333 BGB den Wunsch des Erblassers, einen an sich Pflichtteilsberechtigten komplett von Erbfolge und Nachlass auszuschließen. In bestimmten, im Gesetz abschließend definierten, Fällen billigt das BGB dem Erblasser das Recht zu, einen Pflichtteilsberechtigten nicht nur von der Erbfolge auszuschließen, sondern ihm auch den Pflichtteil zu entziehen. Mit einem solchen Entzug des Pflichtteils ist der betroffene Angehörige bzw. der Ehepartner des Erblassers dann tatsächlich auf „Null“ gesetzt. Er bekommt vom Vermögen des Erblassers nach dessen Ableben keinen einzigen Euro.

Wenn der Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten seinen Pflichtteil entziehen will, dann muss zumindest einer der Gründe des § 2333 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BGB gegeben sein. Weiter muss der konkrete Entziehungsgrund im Testament bzw. Erbvertrag des Erblassers angegeben sein, § 2336 BGB.

Folgende Tatbestände rechtfertigen einen Entzug des Pflichtteils:

§ 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB – Nach dem Leben trachten

Wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser oder einer ihm nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet, ist ein Pflichtteilsentzug möglich. Dabei muss das „nach dem Leben trachten“ über eine bloße Bedrohung des Erblassers hinausgehen. Der Pflichtteilsberechtigte muss den Tod des Erblassers bzw. einer dem Erblasser nahe stehenden Person ernsthaft beabsichtigen und zum Ziel nehmen.

§ 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB – Vergehen oder Verbrechen

Weiter ist ein Pflichtteilsentzug dann möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen begeht, das sich gegen Erblasser oder eine ihm nahe stehende Person richtet. Die Begriffe Verbrechen bzw. Vergehen stammen aus dem Strafrecht und sind in § 12 StGB (Strafgesetzbuch) definiert.

Ein Verbrechen ist eine rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist. Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

Ob und wann ein „schweres“ Vergehen zu Lasten des Erblassers oder einer ihm nahe stehenden Person vorliegt, muss im Einzelfall entschieden werden. Der Entzug des Pflichtteils muss hier in jedem Fall eine angemessene Reaktion auf das schwere Vergehen darstellen. Eine bloße gegen den Erblasser gerichtete Ordnungswidrigkeit rechtfertigt nie einen Pflichtteilsentzug.

Für einen Entzug des Pflichtteils nach der Nr. 2 ist es nicht zwingend erforderlich, dass der Pflichtteilsberechtigte wegen der von ihm verübten Straftat in einem Strafprozess auch tatsächlich verurteilt wurde.

§ 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB – Verletzung der Unterhaltspflicht

Ein Pflichtteilsentzug ist weiter dann möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte seine gegenüber dem Erblasser bestehende Unterhaltspflicht böswillig verletzt.

Voraussetzung ist, dass der Erblasser unterhaltsbedürftig und der Pflichtteilsberechtigte im Stande ist, Unterhalt zu gewähren, dies aber aus niedrigen Motiven heraus unterlässt.

Eine große Praxisrelevanz hat der Fall der Nr. 3 nicht, da ein Erblasser, der auf Unterhaltszahlungen angewiesen ist, regelmäßig über keinen nennenswertes Nachlassvermögen verfügen dürfte.

§ 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB – Verurteilung wegen Straftat

Schließlich ist ein Entzug des Pflichtteils auch dann möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt worden ist.

Wegen dieser Verurteilung muss es für den Erblasser unzumutbar sein, den Pflichtteilsberechtigten an seinem Nachlass zu beteiligen. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers liegt eine solche Unzumutbarkeit vor, wenn „die Straftat den persönlichen in der Familie gelebten Wertvorstellungen des Erblassers in hohem Maße widerspricht. Bei besonders schweren Straftaten, die mit erheblichen Freiheitsstrafen geahndet werden, liegt dies in der Regel nahe.“ (Bundestag Drucksache 16/8954, S. 24).

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