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Testament anfechten, weil der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Wenn unbekannte Kinder oder zweite Ehepartner im Testament nicht berücksichtigt wurden, ist oft eine Anfechtung möglich
  • Eine Testamentsanfechtung greift nur dann, wenn das Übergehen des Pflichtteilsberechtigten unbeabsichtigt geschehen ist
  • Nach einer erfolgreichen Anfechtung werden die Karten neu gemischt

Einen besonderen Anfechtungsgrund, der den Schutz des Pflichtteilsberechtigten zum Gegenstand hat, enthält § 2079 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Danach kann ein Pflichtteilsberechtigter ein Testament anfechten und auf diesem Weg unwirksam machen, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten in seinem Testament übergangen hat und der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments auch nichts von dem Pflichtteilsberechtigten wusste oder der Pflichtteilsberechtigte erst nach Errichtung des Testaments geboren wurde.

Durch Anfechtung sollen unter anderem Kinder des Erblassers geschützt werden

Der Gesetzgeber hat mit dieser Anfechtungsmöglichkeit neben dem Schutz sonstiger Pflichtteilsberechtigter vor allem Kinder des Erblassers im Blick gehabt. Hatte der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seines letzten Willens keine Kenntnis von der Tatsache, dass er biologischer Vater eines Kindes ist, dann spricht viel dafür, dass er abweichend testiert hätte, wenn er bei Abfassung des Testaments von der Existenz seines Abkömmlings gewusst hätte.

Für diese Fälle soll der – ohne Vorsatz – im Testament übergangene Abkömmling dann die Möglichkeit haben, die Rechtswirkungen des Testaments zu beseitigen und sich auf diesem Weg zumindest seinen gesetzlichen Erbteil zu sichern.

Ein Pflichtteilsberechtigter wird im Sinne des Gesetzes in dem Testament „übergangen“, wenn er weder als Erbe eingesetzt wird, noch ausdrücklich enterbt, noch mit einem Vermächtnis bedacht wird.

Eine Anfechtung eines Testamentes nach § 2079 BGB ist freilich ausgeschlossen, wenn der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser absichtlich im Rahmen der Erbfolge übergangen wurde. Für eine Anfechtung reicht also in keinem Fall die Tatsache, dass ein Pflichtteilsberechtigter in einem Testament gar nicht erwähnt wird.

Das Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten darf nicht vorsätzlich erfolgt sein

Das Übergehen des Pflichtteilsberechtigten muss als zusätzliches Merkmal „unbewusst“ geschehen sein, um eine Anfechtung durch den Pflichtteilsberechtigten zu rechtfertigen.

§ 2079 BGB begründet eine Vermutung zugunsten des übergangenen Pflichtteilsberechtigten, wonach der Erblasser abweichend testiert hätte, wenn er von der Existenz des Pflichtteilsberechtigten zum Zeitpunkt der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung gewusst hätte.

Hat ein Pflichtteilsberechtigter die Anfechtung eines Testaments nach § 2079 BGB erklärt, dann ist es an dem oder den in dem Testament eingesetzten Erben, gegebenenfalls auch vor Gericht, nachzuweisen, dass der Erblasser auch in Kenntnis des übergangenen Pflichtteilsberechtigten genau so testiert hätte, wie er es gemacht hat.

Nach erfolgter Anfechtung wird das Testament unwirksam

Hat der Pflichtteilsberechtigte gestützt auf den Anfechtungsgrund in § 2079 BGB und innerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist des § 2082 BGB die Anfechtung erklärt, dann wird das Testament rückwirkend unwirksam und es tritt die gesetzliche Erbfolge ein.

Der anfechtende Pflichtteilsberechtigte erhält also nach einer wirksamen und fristgerechten Anfechtung in aller Regel seinen gesetzlichen Erbteil.

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