Lebzeitige Zuwendungen an Enkelin schmälern deren Pflichtteilsanspruch
OLG Karlsruhe – Urteil vom 27.4.2011 - 6 U 137/09
- Enkelin klagt nach dem Tod des Großvaters ihren Pflichtteil ein
- Landgericht gibt der Klage statt
- OLG hebt das Landgericht auf - Ausgleichspflichtige Zuwendungen stehen dem Pflichtteil entgegen
Wann Geldleistungen von Großeltern an die Enkelin den Pflichtteilsanspruch der Enkelin schmälern, hatte das OLG Karlsruhe zu beurteilen.
Die Enkelin als Klägerin machte Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des Großvaters geltend. Der Großvater war im Jahr 2005 verstorben und hatte in einem gemeinschaftlichen Testament seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt. Schlusserbe sollte der gemeinsame Sohn sein. Die Enkelin war Tochter der Schwester des als Schlusserben eingesetzten Sohnes.
Die Schwester des Schlusserben war vorverstorben. Im Jahr 2007 verstarb dann die Ehefrau des Erblassers. Die Enkelin machte sodann Pflichtteilsansprüche gegen ihren Onkel als Schlusserben geltend.
Pflichtteil der Enkelin ist dem Grunde nach unstreitig
Der Pflichtteilsanspruch der Enkelin an sich war unstreitig. Nach § 2303 Abs. 1 BGB steht der Pflichtteilsanspruch den Abkömmlingen des Erblassers zu. Nachdem ihre eigene Mutter als Pflichtteilsberechtigte bereits vorverstorben war, kam dem Grunde nach die Enkelin als Pflichtteilsberechtigte in Frage, § 2309 BGB.
Die Pflichtteilsquote betrug die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Nachdem die Enkelin bei gesetzlicher Erbfolge nach dem Tod ihres Großvaters Erbin zu ¼ geworden wäre, betrug ihr Pflichtteilsanspruch 1/8. Der Nachlasswert bei Tod des Großvaters betrug Euro 81.318,71. Die Enkelin machte vor Gericht gegen ihren Onkel einen Betrag in Höhe von Euro 10.164,84 geltend.
Der Onkel wandte gegen die Klageforderung ein, dass sich die Enkelin auf ihren Pflichtteilsanspruch umfangreiche Geldgeschenke der Großeltern anrechnen lassen müsse. Die Klägerin hatte tatsächlich für Hausbau, Einrichtungsgegenstände und Anschaffung eines KFZ zu Lebzeiten der Großeltern unstreitig einen Betrag in Höhe von insgesamt DM 419.000 erhalten.
Klägerin bestreitet Schenkungen des Großvaters
Die Klägerin wollte sich die umfangreichen Zuwendungen nicht auf ihren Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen, da es sich hierbei um nicht anrechnungspflichtige Schenkungen gehandelt habe, als solche sei sie in dem zugrunde liegenden Vertrag auch ausdrücklich bezeichnet worden. Weiter habe sie in dem Zuwendungsvertrag ihrer Großmutter ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Auch dies müsse berücksichtigt werden.
Das Landgericht gab der Klage der Enkelin auf ihren Pflichtteil in erster Instanz statt.
Das Oberlandesgericht hob dieses Urteil allerdings in der Berufungsinstanz auf und wies die Klage der Enkelin in voller Höhe ab.
OLG weist Klage als unbegründet ab
Maßgeblich für die Entscheidung des Berufungsgerichts war die Bestimmung in § 2316 BGB, wonach sich der Pflichtteil bei Vorhandensein mehrerer Abkömmlinge unter Berücksichtigung von bestehenden Ausgleichspflichten bemisst.
Eine solche Ausgleichungspflicht normiert § 2050 BGB, wonach auch beim Pflichtteil das zu berücksichtigen ist, was der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser zu dessen Lebzeiten als „Ausstattung“ erhalten hat. Die entscheidende Streitfrage in dem Fall war demnach, ob die Geldzuwendungen an die Enkelin als Ausstattung zu werten waren.
Diese Frage wurde vom OLG bejaht. Dabei ging das Gericht zunächst von der Legaldefinition in § 1624 BGB aus. Danach ist eine Ausstattung das, „was einem Kind (Abkömmling) mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder zur Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung … zugewendet wird“.
OLG bejaht eine ausgleichspflichtige Zuwendung an die Klägerin
Bei größeren Zuwendungen liege, so das OLG, die Annahme einer – ausgleichspflichtigen - Ausstattung nahe, wenn sich kein anderer Grund für die Zuwendung feststellen lasse. Soweit der Zuwendungsgeber mit der Zuwendung auch andere Zwecke verfolge, so schließe dies die Annahme einer Ausstattung nicht aus. Die anderen Zwecke dürften lediglich nicht „dominieren“.
Im vorliegenden Fall stand der Annahme einer – anrechungspflichtigen – Ausstattung auch nicht entgegen, dass die Parteien die Zuwendung selber ausdrücklich als – anrechnungsfreie – Schenkung bezeichnet hatten. Hinter einer „Schenkung“ könne sich sehr wohl eine „Ausstattung“ verbergen, so das OLG. Auch stand nach Auffassung des OLG die Schaffung eines Wohnrechts für die Großmutter bei der Zuwendung nicht im Vordergrund.
Wegen der bereits erhaltenen „Ausstattungen“ reduzierte sich der Pflichtteilsanspruch der Enkelin auf Null. Die Klage wurde abgewiesen.
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