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Nachlasswert ist sehr überschaubar – Dürftigkeitseinrede für den Erben gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Erbe muss Pflichtteil bezahlen, wenn er die Erbschaft angenommen hat
  • Stellt sich das Erbe als überschuldet heraus, muss der Erbe sein Privatvermögen in Sicherheit bringen
  • Dürftigkeitseinrede beschränkt die Haftung des Erben

Erbe und Pflichtteilsberechtigter stehen sich nach Eintritt des Erbfalls mit ziemlich konträren Interessen gegenüber.

Der Erbe wird Rechtsnachfolger des Erblassers und erhält das Vermögen des Erblassers. Der Erbe muss auf der anderen Seite sämtliche so genannten Nachlassverbindlichkeiten begleichen. Eine solche Nachlassverbindlichkeit ist unter anderem auch der Pflichtteil.

Der Pflichtteilsberechtigte wiederum hat einen Zahlungsanspruch gegen den Erben in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils, § 2303 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Der Pflichtteilsberechtigte will, wo er vom Erblasser schon von der Erbfolge ausgeschlossen worden ist, zumindest seine gesetzlich garantierte Mindestbeteiligung am Nachlass haben.

Ist der vom Erblasser hinterlassene Nachlass werthaltig, ist die Regulierung des Pflichtteilanspruchs (eigentlich) kein Problem. Der Pflichtteilsberechtigte wird sich mit Hilfe seine Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB zunächst einen Überblick über Bestand und Wert des Nachlasses verschaffen und nachfolgend seinen Anspruch beziffern und beim Erben geltend machen.

Was gilt, wenn der Nachlass unzureichend ist?

Eine andere Situation ist regelmäßig dann gegeben, wenn der Nachlass nicht sonderlich werthaltig ist oder der Erblasser zwar Vermögen hatte, dem Erben aber auch Schulden in beträchtlicher Höhe hinterlassen hat.

Auch in diesem Fall kann der Erbe mit Ansprüchen des Pflichtteilsberechtigten konfrontiert werden.

Die erste Handlungsoption für den Erben ist im Fall eines überschuldeten Nachlasses immer die Ausschlagung der Erbschaft. Entscheidet sich der Erbe rechtzeitig, die ihm angetragene Erbschaft nicht anzunehmen sondern mit Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht auszuschlagen, dann ist auch das Thema Pflichtteil für ihn erledigt.

Der Erbe, der die Erbschaft rechtzeitig und wirksam ausgeschlagen hat, hat mit dem Nachlass und insbesondere mit den Nachlassverbindlichkeiten nichts mehr zu tun.

Hat sich der Erbe aber gegen eine Ausschlagung der Erbschaft entschieden oder die Ausschlagungsfrist versäumt, dann muss er sich neben weiteren Nachlassgläubigern zwangsläufig auch mit dem Pflichtteilsberechtigten beschäftigen.

Der Wert des Nachlasses ist entscheidend

Die Situation für den Erben ist dann noch relativ einfach zu handhaben, wenn der Nachlass zwar dürftig ist, er sich aber nur mit dem Pflichtteilsberechtigten als einzigem Nachlassgläubiger auseinandersetzen muss.

Nach § 2311 BGB ist für die Berechnung des Pflichtteils nämlich auf den Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen.

Wenn der Wert des Nachlasses aber gering ist oder sich sogar im negativen Bereich bewegt, dann ist eben auch ein Pflichtteilsanspruch nicht werthaltig. In diesen Fällen sollte es dem Erben möglich sein, den Pflichtteilsberechtigten auch ohne anwaltliche oder gerichtliche Hilfe davon zu überzeugen, dass der Erbfall für den Pflichtteilsberechtigten keine materiellen Vorteile mit sich bringt.

Was gilt, wenn der Nachlass unübersichtlich ist?

Schwieriger ist die Lage für den Erben, wenn der Nachlass unübersichtlich ist, mehrere Nachlassgläubiger beim Erben ihre Forderungen anmelden und der Erbe nach Annahme der Erbschaft nicht einschätzen kann, ob und wie werthaltig seine Erbschaft ist.

Eine solche Situation sollte der Erbe alleine deswegen nicht unterschätzen, als er dem Grunde nach für sämtliche Nachlassverbindlichkeiten auch mit seinem privaten Vermögen haftet, § 1967 BGB.

Oberste Bürgerpflicht für den Erben in solch einer unübersichtlichen Situation ist es, sein privates Vermögen, das mit der Erbschaft nichts zu tun hat, vor dem Zugriff von Nachlassgläubigern – und eben auch vor dem Pflichtteilsberechtigten – in Sicherheit zu bringen.

Die Mittel zur Beschränkung der Erbenhaftung nach Annahme der Erbschaft sind die Einleitung einer Nachlassverwaltung bzw. eines Nachlassinsolvenzverfahrens, § 1975 BGB. Beide Instrumente bewirken, dass sich die Nachlassgläubiger mit ihren Forderungen nur noch an den Nachlass – sprich das Vermögen des Erblassers – und gerade nicht an das private Vermögen des Erben halten können.

Die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses

Geht es dem Erben darum, sein privates Haftungsrisiko zu minimieren, dann gibt es für die Einleitung einer Nachlassverwaltung bzw. eines Nachlassinsolvenzverfahrens eine Hürde.

Beide Verfahren kosten Geld und der Nachlass muss zumindest so werthaltig sein, dass die Kosten für die Verfahren abgedeckt sind. Gibt der Nachlass aber nicht einmal soviel her, um die Verfahrenskosten abzudecken, dann werden die für den Erben so wichtigen Verfahren erst gar nicht eröffnet bzw. eingestellt.

Aber selbst in diesem Fall hat der Erbe die Möglichkeit, einen Pflichtteilsberechtigten, der mit seinen Forderungen auf den Erben zukommt, auszubremsen und seine Erbenhaftung zu beschränken.

Als letztes Mittel, um den Zugriff eines Pflichtteilberechtigten auf das Privatvermögen des Erben abzuwehren, steht dem Erben nämlich die so genannte Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB zur Verfügung.

Erhebt der Erbe diese Einrede, dann kann der Erbe die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten, und eben auch eines Pflichtteilanspruchs, verweigern, wenn der Nachlass nicht genügend Mittel zur Befriedigung der Gläubiger enthält. Das Eigenvermögen des Erben ist damit vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt.

Der Erbe muss aber in diesem Fall den kompletten Nachlass für die Befriedigung der Ansprüche der Nachlassgläubiger zur Verfügung stellen.

Sollte der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch bereits zum Gericht getragen haben, muss ein solcher Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 780 ZPO (Zivilprozessordnung) zwingend in den Tenor des Urteils aufgenommen werden.

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