Der in Erbvertrag oder Testament eingesetzte Erbe stellt fest, dass der Erblasser sein Vermögen verschenkt hat – Was tun?
- Erblasser versuchen manchmal, eine bindende Erbeinsetzung durch lebzeitige Schenkungen zu unterlaufen
- Erfolgte eine solche Schenkung in Beeinträchtigungsabsicht, dann kann sich der Erbe wehren
- Auch einem Erben kann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen
Das deutsche Erbrecht ist vom Grundsatz der Testierfreiheit bestimmt.
Alleine dem Erblasser obliegt es demnach zu entscheiden, wer nach seinem Tod sein Vermögen erhält.
Ebenso darf der Erblasser zu Lebzeiten mit seinem Vermögen grundsätzlich tun und lassen, was er will.
Diese Entscheidungsfreiheit des Erblassers kennt jedoch auch Grenzen.
Bindende Einsetzung von Erben in Testament oder Erbvertrag
So können Erben in einem Erbvertrag oder in einem gemeinsamen Testament bindend eingesetzt werden.
Immer dann, wenn der Erblasser in einem Erbvertrag einen Erben bindend eingesetzt hat oder eine Erbeinsetzung in einem gemeinsamen Testament von Eheleuten nicht mehr abgeändert werden kann, dann ist die Handlungsfreiheit des Erblassers unter Umständen zugunsten des bindend eingesetzten Erben beschränkt.
Für den bindend eingesetzten Erben wird diese Erkenntnis oft nach dem Eintritt des Erbfalls interessant.
Manchmal muss ein bindend eingesetzter Erbe nämlich nach dem Eintritt des Erbfalls feststellen, dass von „seiner“ Erbschaft nicht mehr viel vorhanden ist, da der Erblasser sein Vermögen zu Lebzeiten an Dritte verschenkt hat.
Diese Dritte, die vom Erblasser beschenkt wurden, können dabei sowohl Miterben, Familienmitglieder oder sonstige Personen sein.
Erbschaft wird durch Schenkungen des Erblassers entwertet
Für den Erben bedeutet dies, dass seine Erbschaft durch die lebzeitigen Schenkungen des Erblassers mehr oder weniger entwertet ist.
Diejenigen Erben, die aber in einem Erbvertrag oder in einem gemeinsamen Testament bindend eingesetzt wurden, haben in dieser Situation unter Umständen die Möglichkeit, das vom Erblasser verschenkte Vermögen ganz oder zum Teil wieder zurückzuholen.
Die erste Norm, mit der sich ein Erbe in einem solchen Fall beschäftigen muss, ist der § 2287 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).
Handelte der Erblasser bei der Schenkung in Beeinträchtigungsabsicht?
Nach § 2287 Abs. 1 BGB gilt folgendes:
Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.
Nach dieser sowohl für den Erbvertrag als auch für das gemeinsame Testament zugunsten des Erben geltenden Schutzvorschrift kann der Erbe demnach unter Umständen von demjenigen, der vom Erblasser beschenkt wurde, die Herausgabe des Geschenks verlangen.
Voraussetzung für einen solchen Herausgabeanspruch des Erben ist, dass die lebzeitige Schenkung durch den Erblasser in „Beeinträchtigungsabsicht“, also ohne „lebzeitiges Eigeninteresse“ erfolgte.
Pflichtteilsergänzungsanspruch für den Erben
Ein weiterer Ansatzpunkt für einen (auch nicht bindend eingesetzten) Erben, dessen Erbschaft vom Erblasser durch eine lebzeitige Schenkung geschmälert oder entwertet wurde, ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch in § 2325 BGB.
Soweit der Erbe zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Erben (insb. also ein Abkömmling oder Ehegatte des Erblassers) gehört, steht ihm nämlich unter Umständen ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, selbst wenn er von der Erbfolge gar nicht ausgeschlossen wurde.
Voraussetzung eines solchen Pflichtteilsergänzungsanspruchs eines Erben ist, dass der Wert des Vermögens, das ihm hinterlassen wurde, geringer ist, als der Wert der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils.
Nach § 2325 BGB kann es damit beispielsweise zwischen dem Erben, der bereits zu Lebzeiten namhafte Geschenke vom Erblasser erhalten hat und demjenigen Erben, der bisher leer ausgegangen ist, zu durchaus spürbaren Ausgleichszahlungen kommen.
Sind dritte Nichterben vom Erblasser beschenkt worden, dann kommt für den pflichtteilsberechtigten Erben schließlich nach § 2329 BGB ein Herausgabeanspruch gegen den Empfänger der Schenkung in Frage.
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