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Bindend eingesetzter Erbe wird sittenwidrig geschädigt – Welche Möglichkeiten hat der Erbe?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Lebzeitige Vermögensverfügungen des Erblassers sind regelmäßig wirksam
  • Ist der Erbe in einem gemeinsamen Testament oder Erbvertrag eingesetzt, kann er gegebenenfalls nach dem Erbfall reagieren
  • Sittenwidrige Schädigung führt nicht zu einem Schadensersatzanspruch des Erben

Im Normalfall hat der Erbe vor dem Eintritt des Erbfalls keine Rechte am Nachlass. Solange der Erblasser noch nicht verstorben ist, kann der Erblasser mit seinem Vermögen tun und lassen, was er will.

Diese für den Erben oft unbefriedigende Situation ändert sich in gewissem Umfang, wenn der Erbe vom Erblasser mit bindender Wirkung bedacht worden ist.

Eine Bindungswirkung für den Erblasser kann dabei sowohl aus einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament als auch aus einem Erbvertrag resultieren.

Hat sich der Erblasser nämlich dazu entschlossen, seine Erbfolge gemeinsam mit seinem Ehepartner oder alternativ durch einen Erbvertrag zu regeln, dann können sich für den im letzten Willen des Erblassers bindend eingesetzten Erben (oder auch Vermächtnisnehmer) bei lebzeitigen Verfügungen des Erblassers nach dem Eintritt des Erbfalls Rechte ergeben.

Schenkungen des Erblassers rückgängig machen

Unter bestimmten Umständen kann der Erbe nämlich lebzeitige Verfügungen des Erblassers nach dem Eintritt des Erbfalls wieder rückgängig machen.

Folgendes Beispiel zur Verdeutlichung:

Vater und Mutter haben ihr Kind in einem gemeinsamen Testament bindend als so genannten Schlusserben nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehepartners eingesetzt.
Die Mutter verstirbt und wird vom Vater alleine beerbt.
Das Verhältnis zwischen Vater und Kind wird nach dem Tod der Mutter zusehends schlechter.
Der Vater beginnt, Vermögen durch Schenkungen auf seine neue Lebensgefährtin  zu übertragen.
Was kann das Kind nach dem Tod vom Vater machen?

Die entscheidenden Rechtsnormen für das Kind  sind in diesem Fall die §§ 2286 und 2287 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Schenkung des Erblassers ist zunächst einmal wirksam

Danach kann das Kind zu Lebzeiten des Vaters zunächst einmal nicht gegen die Schenkungen an die neue Lebensgefährtin des Vaters machen. Diese Verfügungen sind wirksam, § 2286 BGB.

Kann das Kind aber nach dem Tod des Vaters nachweisen, dass der Vater die Schenkungen in der Absicht vorgenommen hat, das Kind in seinem Erbrecht zu beeinträchtigen, dann kann das Kind von der Lebensgefährtin des Vaters die Herausgabe der Geschenke verlangen.

Das Kind muss in einem möglichen Gerichtsprozess eine Beeinträchtigungsabsicht des Vaters nachweisen. Eine solche Absicht, einen bindend eingesetzten Erben zu beeinträchtigen, liegt immer dann vor, wenn der Schenker keine (nachvollziehbares) „lebzeitiges Eigeninteresse“ an den Vermögensverschiebungen hatte.

Hatte der Schenker ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung?

Geht es dem Vater in dem Beispielsfall also nur darum, dass das Kind nach dem Eintritt des Erbfalls „nichts bekommen“ soll, dann stehen die Chancen für das Kind gut, sich lebzeitig übertragenes Vermögen nach § 2287 BGB wieder zurück zu holen.

Dabei ist § 2287 BGB in aller Regel auch die einzige Anspruchsgrundlage, die der Erbe in solchen Situationen für sich nutzen kann.

Insbesondere hat der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1989 entschieden, dass neben dem § 2287 BGB die Vorschrift des § 826 BGB nicht anwendbar ist (BGH, Urteil vom 21.06.1989, IVa ZR 302/87).

Kein Schadensersatzanspruch des Erben nach § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung

Nach § 826 BGB muss derjenige, der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zufügt, Schadensersatz leisten.

Wenn ein Erblasser seinen bindend eingesetzten Erben vorsätzlich Vermögen entziehen und damit schädigen will, kann der Erbe durchaus auf die Idee kommen, einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB zu prüfen.

Der BGH ist allerdings der Auffassung, dass die erbrechtliche Regelung nach § 2287 BGB abschließend ist. § 2287 BGB führt, so der BGH, unter Umständen zu einem Bereicherungsanspruch des Erben gegen den Beschenkten, geht aber „als Sonderregelung einem eigenen Anspruch der Erben aus § 826 BGB vor.“

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