Wann ist ein Nachlassgericht in Deutschland für einen Ausländer zuständig?
- Für Erbfälle ab dem 17.08.2015 gilt die EU-ErbVO
- Der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in Deutschland führt zur Zuständigkeit deutscher Gerichte
- Wenn sich Nachlassvermögen in Deutschland befindet, sind deutsche Gerichte zuständig
Wenn ein Erbfall eintritt, dann benötigt man zuweilen die Unterstützung eines Nachlassgerichts.
In erster Linie tritt man als Erbe dann an ein Nachlassgericht heran, um einen Erbschein als Nachweis für sein Erbrecht zu erhalten.
Wenn man bei einem deutschen Nachlassgericht einen Antrag stellt, dann prüft das Gericht zunächst, ob es für die Angelegenheit überhaupt zuständig ist.
Hatte der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland?
Wenn der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, dann ist die Zuständigkeit eines deutschen Nachlassgerichts unproblematisch gegeben, Art. 4 EU-ErbVO.
Jeder Erbe aus dem In- oder auch Ausland kann sich in diesem Fall an das zuständige Nachlassgericht in Deutschland wenden und dort beispielsweise einen Erbschein (oder ein europäisches Nachlasszeugnis) beantragen.
Deutsche Nachlassgerichte können für einen Erbfall aber auch dann zuständig sein, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland hatte.
Die Europäische Erbrechtsverordnung bestimmt die Zuständigkeit deutscher Gerichte
In diesen Fällen lohnt sich ein Blick in die Regelung in Art. 10 EU-ErbVO.
Danach gilt folgendes:
(1) Hatte der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes nicht in einem Mitgliedstaat, so sind die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem sich Nachlassvermögen befindet, für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass zuständig, wenn
a) der Erblasser die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats im Zeitpunkt seines Todes besaß, oder, wenn dies nicht der Fall ist,
b) der Erblasser seinen vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthalt in dem betreffenden Mitgliedstaat hatte, sofern die Änderung dieses gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts nicht länger als fünf Jahre zurückliegt.
(2) Ist kein Gericht in einem Mitgliedstaat nach Absatz 1 zuständig, so sind dennoch die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem sich Nachlassvermögen befindet, für Entscheidungen über dieses Nachlassvermögen zuständig.
Immer dann, wenn sich demnach Nachlassvermögen, seien es z.B. Bankguthaben oder eine Immobilie, in Deutschland befinden, lässt sich die Zuständigkeit eines deutschen Nachlassgerichts begründen.
Welches Gericht ist örtlich zuständig?
Das gilt selbst für die Fälle, in denen der Erblasser kein deutscher Staatsbürger war und bereits seit Jahrzehnten im Ausland lebte (so z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.09.2023, VI 764/23).
Für die Erteilung eines Erbscheins örtlich zuständig ist in erster Linie dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, § 343 Abs. 2 FamFG.
Hatte der Erblasser zu keinem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, dann dürfte dasjenige Amtsgericht örtlich zuständig sein, in dessen Bezirk sich das betroffene Nachlassvermögen befindet.
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