Das Nachlassgericht verweigert die Herausgabe eines Erbvertrages – Zu Recht?
OLG Hamm – Beschluss vom 24.11.2014 – 15 W 425/14
- Erbvertrag wird errichtet und in die amtliche Verwahrung gegeben
- Vertragsparteien fordern den Erbvertrag in der Folge beim Gericht heraus
- Nachlassgericht hat gegen die Herausgabe Bedenken
Das Oberlandesgericht Hamm hatte über die Frage zu entscheiden, ob sich das Nachlassgericht, das einen Erbvertrag in der amtlichen Verwahrung hatte, weigern kann, den Erbvertrag an die Vertragsparteien auf deren Verlangen hin herauszugeben.
In der zu entscheidenden Angelegenheit hatten zwei Personen einen notariellen Erbvertrag errichtet. Dieser Erbvertrag sah vor, dass der Sohn der einen Vertragspartei im Erbfall ein Vermächtnis erhalten sollte.
Weiter war in dem Erbvertrag geregelt, dass der Vater alleine und nicht die Eltern gemeinsam für den Sohn das Vermächtnis verwalten sollten, soweit der Sohn zum Zeitpunkt des Erbfalls selber noch minderjährig sei.
Erbvertrag kommt in die amtliche Verwahrung
Nach Abschluss des Erbvertrages wurde dieser in die amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht gegeben.
In der Folge wandten sich die Vertragsparteien einvernehmlich an das Nachlassgericht und verlangten die Herausgabe des Erbvertrages.
Dies verweigerte das Gericht mit Hinweis auf die Regelung in § 2300 BGB und den Umstand, dass der Erbvertrag nicht nur erbrechtliche, sondern mit der besonderen Regelung der Vermögenssorge auch lebzeitig geltende Anordnungen enthalte.
Vertragsparteien fordern den Erbvertrag bei Gericht heraus
Die Vertragsparteien wandten sich daraufhin schriftlich an das Nachlassgericht, wiederholten ihren Antrag und baten um eine rechtsmittelfähige Entscheidung.
Dieser Bitte kam das Nachlassgericht nach und lehnte die Herausgabe des Erbvertrages durch Beschluss ab. Hiergegen legten die Betroffenen Beschwerde zum OLG ein.
Das Oberlandesgericht gab den Beschwerdeführern Recht und wies das Nachlassgericht an, den Erbvertrag, wie beantragt, herauszugeben.
In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG allerdings darauf hin, dass es die Bedenken des Nachlassgerichts gegen die Herausgabe des Erbvertrages durchaus nachvollziehen könne.
Rücknahme eines Erbvertrages führt zur Unwirksamkeit
In § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB sei nur die Rücknahme eines Erbvertrages geregelt, der „nur“ Verfügungen von Todes wegen enthalte.
Soweit in einem Erbvertrag hingegen nicht nur letztwillige erbrechtliche Verfügungen enthalten seien, sondern auch solche mit ausschließlich lebzeitiger Wirkung, führe eine Herausgabe des Erbvertrags an die Vertragsparteien nicht – wie im allgemeinen von den Vertragsparteien erwartet – zu einer Aufhebung und Unwirksamkeit des Erbvertrages.
Letzterer bleibe vielmehr in diesem Fall auch nach Rückgabe in vollem Umfang wirksam.
Entscheidend komme es mithin in dem vorliegenden Fall auf die Rechtsnatur der in dem Erbvertrag aufgenommenen Regelung zur elterlichen Vermögenssorge nach § 1638 BGB an.
Gericht ordnet die Herausgabe des Erbvertrages an
Eine Anordnung nach § 1638 BGB sei, so das OLG, nicht eindeutig dem Bereich der lebzeitigen bzw. der letztwilligen Verfügungen zuzuordnen.
Im Ergebnis orientierte sich das OLG aber an der „sachlichen Verknüpfung der geregelten Rechtsfolgen mit der konkreten erbrechtlichen Regelung“ und wertete die Regelung als letztwillige Verfügung im Sinne von § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB.
Mit dieser Entscheidung stand einer Herausgabe des Erbvertrages an die Vertragsparteien nichts mehr im Wege.
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