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Erbvertrag bindet Erblasserin – Spätere Testamente sind unwirksam

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 03.11.2014 – 31 Wx 280/14

  • Erblasserin errichtet hintereinander Erbvertrag und Testament
  • Nach dem Tod der Erblasserin entsteht Streit über die Erbfolge
  • Der Erbvertrag bindet die Erblasserin

Das Oberlandesgericht München hatte im Rahmen eines Erbscheinverfahrens über das Verhältnis von Erbvertrag und zeitlich späteren Testamenten zu befinden.

Die Erblasserin war im Jahr 2014 verstorben. Sie hinterließ drei Töchter A, B und C. Der Ehemann der Erblasserin war bereits im Jahr 1963 vorverstorben.

Ab 1968 lebte die Erblasserin mit einem neuen Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Lediglich die jüngste Tochter C lebte ab ihrem zwölften Lebensjahr mit ihrer Mutter und deren neuen Lebenspartner zusammen.

Erblasserin errichtet mehrere letztwillige Verfügungen

Die Erblasserin war Alleineigentümerin des Familienwohnsitzes, der auch mit finanziellen Mitteln des neuen Lebenspartners aus- und umgebaut wurde.

Die Erblasserin errichtete am 19.02.1973 ein notarielles Testament. In diesem Testament setzte die Erblasserin ihren Lebenspartner als Vorerben ein und ihre eigenen sowie die Kinder des Lebenspartners als Nacherben ein.

Am 23.10.1980 schlossen die Erblasserin und ihr Lebensgefährte dann einen Erbvertrag. In diesem Erbvertrag bestimmten sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben.

Schlusserbeneinsetzung im Erbvertrag

Gleichzeitig legten die Vertragsschließenden in dem Erbvertrag fest, dass nach dem Tod des länger Lebenden die Tochter C als Schlusserbin das gemeinsame Vermögen der Erblasserin und ihres Lebenspartners erhalten soll. Ersatzweise sollten, so die Regelung in dem Erbvertrag, die Kinder der C als Schlusserben zum Zuge kommen.

Weiter sah der Erbvertrag vor, dass der überlebende Partner berechtigt sein soll, in einem Testament ergänzende Teilungsanordnungen zu treffen.

Nach dem Tod des Lebenspartners änderte die Erblasserin diese in dem Erbvertrag zugunsten der Tochter C angeordnete Erbfolge mehrmals ab.

Im Jahr 1994 errichtete sie ein Testament und setzte dort ihre Töchter A und B als Erben ein. Im Jahr 2006 folgte ein weiteres Testament in dem nur die Tochter B als Alleinerbin eingesetzt wurde.

Erbeinsetzung der Tochter in einem Testament

Schließlich folgte im Jahr 2011 ein letztes Testament, in dem die Tochter A als alleinige Erbin bestimmt wurde.

Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Tochter C beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der die Tochter C als alleinige Erbin ausweisen sollte.

Die Tochter C stützte ihr Erbrecht dabei auf den Erbvertrag aus dem Jahr 1980. Das Nachlassgericht teilte mit, dass es der Tochter C den beantragten Erbschein zu erteilen gedenkt.

Hiergegen protestierte die Tochter A. Sie verwies unter anderem auf das zu ihren Gunsten ausgefallene Testament aus dem Jahr 2011.

Beschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts

Nachdem das Nachlassgericht von seiner Bewertung der Angelegenheit nicht abrücken wollte, erhob die Tochter A Beschwerde zum Oberlandesgericht.

Das OLG wies die Beschwerde allerdings als unbegründet zurück. In der Begründung seiner Entscheidung wies das Beschwerdegericht darauf hin, dass die Erblasserin die Tochter C im Erbvertrag aus dem Jahr 1980 bindend als ihre Erbin eingesetzt habe.

Die zeitlich späteren von der Erblasserin verfassten Testamente seien, so das OLG, nach § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.

Der Erbvertrag sei insoweit bindend und der Erbvertrag enthalte auch keine Klausel, die der Erblasserin nach dem Ableben des Lebensgefährten eine abweichende Erbfolgeregelung erlaubt hätte.

Gericht legt den Erbevertrag aus

Zwar sei in dem Erbvertrag keine dort enthaltene Verfügung ausdrücklich als „vertragsmäßig“ und damit bindend bezeichnet worden.

Gleichwohl müsse ein Erbvertrag immer ausgelegt werden und durch Auslegung ermittelt werden, ob eine bestimmte im Erbvertrag enthaltene Verfügung von den Vertragsparteien als vertragsmäßig und damit bindend gewollt war.

Die Auslegung des Erbvertrages ergebe im zu entscheidenden Fall, so das OLG, dass die Vertragsparteien sich nicht nur gegenseitig bindend als Erben, sondern auch die Tochter C der Erblasserin als Schlusserbin mit bindender Wirkung einsetzen wollten.

Erbvertrag konnte nicht einseitig abgeändert werden

Hierfür spreche der Inhalt des Erbvertrages ebenso wie die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten. Der Erbvertrag enthalte keine Öffnungsklausel zugunsten des Überlebenden, die Schlusserbenbestimmung in dem Erbvertrag einseitig abzuändern.

Weiter habe sich der Lebensgefährte zu der Tochter C wie ein Vater verhalten, was darauf schließen lässt, dass die Erblasserin und ihr Partner im Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages tatsächlich eine Bindung hinsichtlich der Erbeinsetzung der C eingehen wollten.

Wie sich das persönliche Verhältnis des vorverstorbenen Partners bzw. der Erblasserin zur Tochter C nach Errichtung des Erbvertrages entwickelt habe, sei für die Frage der Bindungswirkung irrelevant.

Im Ergebnis beerbte die Tochter C ihre Mutter demnach alleine. Die anderen Töchter waren auf ihren Pflichtteil gesetzt.

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