Ohne Testament kein Erbrecht – Hinweis auf Äußerungen der Erblasserin reicht nicht aus
OLG München – Beschluss vom 16.04.2008 – 31 Wx 94/07
- Testament kann nach dem Erbfall nicht mehr aufgefunden werden
- Das verschwundene Testament soll für die Erbfolge maßgeblich sein
- Das Gericht hört mehrere Zeugen
Über ein Erbrecht, das auf ein nicht (mehr) vorliegendes Testament gegründet wurde, hatte das OLG München zu befinden.
Die Erblasserin war im Jahr 2006 verstorben und hinterließ keine Kinder. Sie hatte im Jahr 2001 ein Testament in die amtliche Verwahrung gegeben, dieses jedoch am 26.10.2006 wieder aus der Verwahrung zurück genommen.
Am 23.10.2010 suchte die Erblasserin offenbar einen Notar auf und erstellte mit dessen Hilfe den Entwurf eines öffentlichen Testaments. In diesem Testamentsentwurf wurde die E10, die mit der Erblasserin nicht verwandt war, als Alleinerbin eingesetzt.
Das notarielle Testament kommt nicht zustande
Das öffentliche Testament wurde von der Erblasserin allerdings nicht mehr formwirksam errichtet, da sie kurze Zeit nach Erstellung des Entwurfes, am 29.10.2006, verstarb.
Das privatschriftliche Testament, das die Erblasserin im Oktober 2006 aus der amtlichen Verwahrung zurück genommen hatte, konnte nach ihrem Tod nicht mehr aufgefunden werden.
Der Inhalt dieses nicht mehr auffindbaren Testaments war in dem gerichtlichen Verfahren zwischen den Beteiligten streitig.
Eine Beteiligte setzt auf die gesetzliche Erbfolge
Die an dem Verfahren Beteiligte E2, eine Verwandte der Erblasserin, beanspruchte das Erbrecht für sich und beantragte beim Nachlassgericht den Erlass eines Erbscheins, wonach sich die Erbfolge in Ermangelung einer wirksamen letztwilligen Verfügung nach der gesetzlichen Erbfolge richte.
Das Nachlassgericht kündigte an, antragsgemäß einen entsprechenden Erbschein erlassen zu wollen.
Gegen diese Ankündigung legte die E10 Rechtsmittel ein. Nach dem Vortrag der E10 sollte sich die Erbfolge nach dem Inhalt des nicht mehr auffindbaren Testaments der Erblasserin und nicht nach den gesetzlichen Erbfolgeregelungen richten.
Wer hat das Testament vernichtet?
Inhalt des verschwundnenen Testaments sei nach Auskunft der E10 gewesen, dass sie, E10, selber das Geldvermögen, die E2 hingegen das Haugrundstück der Erblasserin erben solle. Das Testament der Erblasserin sei, so die E10, ohne den Willen der Erblasserin vernichtet worden.
Das Landgericht hatte als Beschwerdegericht zu diesem Vortrag der E10 umfangreich Beweis durch die Einvernahme von Zeugen erhoben.
Es folgte damit dem Grunde nach der Argumentation der E10, wonach auch ein nicht aufzufindendes Testament grundsätzlich wirksam sein kann und der Inhalt dieses unauffindbaren Testaments mit anderen Beweismitteln erbracht werden kann.
Zeugen haben sehr unterschiedliche Wahrnehmungen
Die Zeugeneinvernahme vor dem Landgericht hatte allerdings zu dem Inhalt des verschwundenen Testaments durchaus verschiedene Versionen zu Tage gefördert.
Während die E10 angab, das Testament vor Jahren selber gelesen zu haben und den Inhalt mit einer Erbeinsetzung ihrer Person und der E2 wiedergab, bestätigten andere Zeugen, dass die Erblasserin ihnen gegenüber von einer Erbeinsetzung der E6 bis E9 gesprochen habe.
Die E10 konnte das Gericht demnach in keiner Instanz von ihrem Vortrag überzeugen. Mangels Vorliegen eines Testaments richtete sich die Erbfolge in dem entschiedenen Fall demnach nach der im BGB geregelten gesetzlichen Erbfolge.
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