Der Erblasser bedenkt in seinem Testament „Die Armen“ – Welche Rechtsfolge hat das?
- Werden im Testament "die Armen" bedacht, so muss das Testament ausgelegt werden
- Das Gesetz enthält eine Auslegungsregel
- Die örtlichen Behörden bestimmen über die Verteilung
Zuweilen wird ein Testament auch dazu genutzt, um aus Sicht des Erblassers benachteiligten Personengruppen im Erbfall etwas zukommen zu lassen.
Gar nicht so selten finden sich daher in letztwilligen Verfügungen Anordnungen, wonach im Erbfall „den Armen“ ein Teil des Erblasservermögens vermacht wird.
Wer ist mit "Die Armen" gemeint?
Hat der Erblasser in diesen Fällen in aller Regel noch sehr detailliert festgelegt, welcher Vermögensvorteil an den von ihm mit „Die Armen“ bezeichneten Personenkreis gehen soll, so ungeklärt ist häufig, wen der Erblasser denn eigentlich mit der Bezeichnung „Die Armen“ gemeint haben könnte.
Solange der Erblasser also in seinem Testament die Gruppe der „Armen“ nicht personifiziert hat oder eine konkrete karitative Einrichtung oder die Kirche in seinem Testament damit beauftragt hat, im Erbfall für die Verteilung der irdischen Güter Sorge zu tragen, muss eine Lösung für den vom Erblasser geäußerten Wunsch gefunden werden.
§ 2072 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) enthält für diese Fälle eines unklaren Testaments eine Auslegungsregel.
Das Gesetz enthält eine Auslegungsregel
Danach ist immer dann, wenn der Erblasser in seinem Testament die Armen bedacht hat, ohne zur Empfängergruppe nähere Angaben zu machen, im Zweifel die örtlich zuständige öffentliche Armenkasse der Gemeinde, in deren Bezirk der Erblasser gelebt hat, mit der Auflage bedacht, die Zuwendung des Erblassers an Arme zu verteilen.
Wenn das Testament also keine weiteren Hinweise zum Erblasserwillen enthält, greift die gesetzliche Auslegungsregel in § 2072 BGB, um die Erbschaft dorthin zu bringen, wo sie der Erblasser – mutmaßlich – angesiedelt sehen wollte.
Dabei enthält die Auslegungsregel in § 2072 BGB in dreierlei Hinsicht eine Klärung, wenn „die Armen“ in einem Testament bedacht sind.
Zum einen soll die „öffentliche Armenkasse“ über die Verteilung der zugewendeten Mittel entscheiden. Diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGB am 01.Januar 1900 für die örtliche Wohlfahrt zuständige Stelle gibt es heute in dieser Form nicht mehr.
Städte und Landkreise verteilen die Zuwendungen
Heute werden die Aufgaben der „Armenkasse“ vielmehr von den Trägern der Sozialhilfe nach dem 12.Teil des Sozialgesetzbuches wahrgenommen. Dies sind nach § 3 Abs. 2 SGB XII (Sozialgesetzbuch 12.Teil) regelmäßig die kreisfreien Städte und die Landkreise.
Die Repräsentanten dieser Institutionen sind im Zweifel also aufgerufen, sich über die Verteilung der erbrechtlichen Zuwendung vertieft Gedanken zu machen.
Weiter stellt § 2072 BGB klar, dass nicht irgendwelche Sozialhilfeträger tätig werden dürfen, um die Zuwendung zu verteilen. Örtlich zuständig sollen vielmehr nur diejenigen Sozialhilfeträger sein, in deren Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz gehabt hat.
Der Sozialhilfeträger vor Ort ist zuständig
Und schließlich wird eine nicht näher spezifizierte Zuwendung an die Armen nach § 2072 BGB so behandelt, dass der örtliche zuständige Sozialhilfeträger mit der Auflage bedacht sein soll, das Zugewendete an die Armen zu verteilen.
Wie der Sozialhilfeträger die Mittel am Ende verteilt, obliegt seiner nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung.
Ein klagbares Recht der in der betroffenen Gemeinde wohnenden Sozialhilfeempfänger auf Zuteilung eines konkreten Anteils an dem Zugewendeten besteht grundsätzlich nicht.
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