Die gesetzlichen Auslegungsregeln des BGB bei einem unklaren Testament

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Gerade privat erstellte Testamente sind häufig unklar formuliert
  • Im Streitfall müssen Gerichte klären, was der Erblasser tatsächlich wollte
  • Gesetzliche Auslegungsregeln helfen den Gerichten

Eine wichtige Zielvorgabe des Erbrechts in Deutschland ist die Verwirklichung des Erblasserwillens bei der Vermögensnachfolge.

Die geltende Testierfreiheit ermöglicht es dem Erblasser, die eigene Erbfolge nach seinen manchmal sehr eigenen Vorstellungen zu gestalten. Das Gesetz stellt dem Erblasser zur Regelung der Erbfolge dabei grundsätzlich zwei Instrumente zur Verfügung: Das Testament und den Erbvertrag.

Hat der Erblasser sein Testament aber nicht klar formuliert, muss nach dem Erbfall nachgeholfen werden. Das Testament muss „ausgelegt“ werden und der tatsächliche Wille des Erblassers mittels dieser Auslegung ermittelt werden. Ziel der Auslegung ist mithin festzustellen, was der Erblasser wirklich wollte.

Die Auslegung des Testaments soll den Willen des Erblassers ermitteln

Eine Testamentsauslegung beschäftigt sich dabei vorrangig mit dem vom Erblasser in seiner Erklärung gebrauchten Wortlaut. Andeutungen in seinem letzten Willen können bei der Auslegung ebenso eine Rolle spielen wie Umstände, die sich außerhalb des schriftlich niedergelegten Testaments zugetragen haben.

Kann der wirkliche Wille nicht zweifelsfrei ermittelt werden, kommt es auf den mutmaßlichen Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an. Ein unklares oder auch lückenhaftes Testament ist gegebenenfalls ergänzend auszulegen.

Kommt man bei der Ermittlung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Testators nicht weiter, stellt auch das Gesetz einige Auslegungsregeln zur Verfügung, die „im Zweifel“ zur Präzisierung des Erblasserwillens herangezogen werden können.

 

Die Auslegungsregeln des Bürgerliche Gesetzbuch (BGB):

  • „Gesetzliche Erben“ sind diejenigen, die zur Zeit des Erbfalls die gesetzlichen Erben sein würden, § 2066 BGB.
  • „Verwandte“ sind diejenigen, die zur Zeit des Erbfalls seine gesetzlichen Erben sein würden, § 2076 BGB.
  • Hat der Erblasser seine „Kinder“ als Erben eingesetzt, so erben im Zweifel auch deren Abkömmlinge, wenn ein Kind vorverstorben ist, § 2068 BGB.
  • Hat der Erblasser seine „Abkömmlinge“ als Erben eingesetzt, so erben im Zweifel auch deren Abkömmlinge, wenn ein Abkömmling vorverstorben ist, § 2069 BGB.
  • Hat der Erblasser „Abkömmlinge eines Dritten“ als Erben eingesetzt, so sind diejenigen Abkömmlinge im Zweifel nicht Erben, die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht gezeugt sind, § 2070 BGB.
  • Hat der Erblasser eine „Personengruppe“ als Erben bedacht, so sind im Zweifel diejenigen Erben, welche zur Zeit des Erbfalls der Gruppe angehören, § 2071 BGB.
  • Wurden „die Armen“ im Testament bedacht, so hat die örtliche Armenkasse der Gemeinde das Erbe unter Arme zu verteilen, § 2072 BGB.
  • Kommen als Erben mehrere in Betracht, so gelten sie im Zweifel als zu gleichen Teilen bedacht, § 2073 BGB.
  • Eine Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung soll im Zweifel nur gelten, wenn der Empfänger den Eintritt der Bedingung erlebt, § 2074 BGB.
  • Steht die Zuwendung unter der Bedingung, dass der Empfänger etwas unterlässt oder eine Handlung vornimmt, dann erhält der Empfänger nur etwas, wenn die Bedingung auch eintritt, § 2075 BGB.
  • Ist zum Eintritt einer Bedingung ein Dritter erforderlich, so gilt die Bedingung als eingetreten, wenn der Dritte den Eintritt der Bedingung vereitelt, § 2076 BGB.
  • Wurde nur ein Erbe und der nur auf einen Bruchteil eingesetzt, so gilt im Übrigen die gesetzliche Erbfolge, § 2088 BGB.
  • Sind mehrere Erben als einzige Erben eingesetzt, so werden die Bruchteile im Zweifel verhältnismäßig erhöht, bis 100% erreicht ist, § 2089 BGB.
  • Sind mehrere Erben zu Bruchteilen als einzige Erben eingesetzt, so werden die Bruchteile im Zweifel verhältnismäßig reduziert, bis insgesamt 100% erreicht ist, § 2090 BGB.
  • Sind mehrere Erben ohne Erbteile bestimmt, so erben sie im Zweifel zu gleichen Teilen, § 2091 BGB.
  • Sind einzelne Erben zu Bruchteilen eingesetzt, andere Erben ohne Bruchteile, so erben letztere den frei gebliebenen Bruchteil, § 2092 BGB.
  • Ist jemand als Ersatzerbe berufen, so gilt diese Einsetzung des Ersatzerben sowohl für den Fall, dass der eigentliche Erbe die Erbschaft nicht antreten will oder auch nicht antreten kann, § 2097 BGB.
  • Sind Miterben als Ersatzerben ohne Bruchteilsbestimmung eingesetzt, so erben sie im Zweifel im Verhältnis ihrer Erbteile, § 2098 BGB.
  • Ein Nacherbe ist im Zweifel auch ein Ersatzerbe, § 2102 BGB.
  • Die Nacherbfolge geht bei Vorversterben des Nacherben im Zweifel auf dessen Erben über, § 2108 Abs. 2 BGB.
  • Der Nacherbe erbt im Zweifel auch den Erbteil, den der Vorerbe wegen Wegfalls eines Miterben zusätzlich erhalten hat, § 2110 BGB.
  • Sind mehrere Erben mit einem Vermächtnis beschwert, so haben sie das Vermächtnis im Zweifel im Verhältnis der Erbteile zu tragen, § 2148 BGB.
  • Der Vermächtnisnehmer kann im Zweifel keinen unbelasteten Vermächtnisgegenstand verlangen, § 2165 BGB.
  • Der Vermächtnisnehmer hat im Zweifel auch Hypothekenschulden eines Grundstücks zu übernehmen, § 2166 BGB.
  • Ein Vermächtnis eines Gegenstandes, der nicht zur Erbschaft gehört, ist unwirksam. Hatte der Erblasser jedoch einen Anspruch auf diesen Gegenstand, so gilt im Zweifel dieser Anspruch als vermacht, § 2169 BGB.

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