Der Erblasser hat sein Vermögen zu Lebzeiten verschenkt – Welche Ansprüche haben die Hinterbliebenen?
- Erben und Pflichtteilsberechtigte können Pflichtteilsergänzung fordern
- Je länger eine Schenkung zurückliegt, desto geringer fällt die Pflichtteilsergänzung aus
- Ein weiterer Anspruch gegen den Empfänger einer Schenkung verjährt nach besonderen Regeln
Jedermann kann sein Vermögen noch zu Lebzeiten ganz oder in Teilen an Dritte verschenken.
Hinterbliebene, die nach dem Eintritt des Erbfalls mit vom Erblasser vorgenommenen Schenkungen konfrontiert werden, stellen sich häufig die Frage, ob sie solche lebzeitigen Vermögenstransaktionen des Erblassers rückgängig machen oder zumindest wirtschaftlich ausgleichen können.
Für enge Familienmitglieder lohnt sich in einem solchen Fall oft eine Überprüfung der gesetzlichen Regelungen in §§ 2325 und 2329 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).
Pflichtteilsberechtigte sollen eine Mindestbeteiligung am Nachlass erhalten
Diese gesetzlichen Normen des Pflichtteilrechts dienen der Absicherung von dem Grunde nach pflichtteilsberechtigten Familienmitgliedern des Erblassers.
Die §§ 2325 und 2329 BGB sollen im Ergebnis sicherstellen, dass ein pflichtteilsberechtigtes Familienmitglied (insb. Kinder, Enkelkinder und der Ehepartner) selbst dann eine Beteiligung am Nachlass erhält, wenn der Erblasser sein Vermögen zu Lebzeiten durch Schenkungen vermindert hat.
Für die Ansprüche nach §§ 2325 und 2329 BGB kommt es ausdrücklich nicht darauf an, dass der Betroffene vom Erblasser in einem Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen wurde.
Auch ein Erbe kann einen Pflichtteilsergänzungsanspruch haben
Ansprüche nach den §§ 2325 und 2329 BGB können vielmehr sowohl der Erbe, ein Miterbe oder auch der enterbte Pflichtteilsberechtigte geltend machen.
Dabei kann der Betroffene zunächst die Regelung in § 2325 Abs. 1 BGB zum so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch ins Visier nehmen:
Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.
Der abstrakt Pflichtteilsberechtigte (insb. Kind, Enkelkind, Ehepartner) kann demnach verlangen, dass sein Pflichtteil unter Hinzurechnung der vom Erblasser gemachten Geschenke zum Nachlass berechnet wird.
Relevant sind meistens die letzten zehn Jahre vor dem Erbfall
Eingeschränkt wird dieses Hinzurechnungsrecht durch die Regelung in § 2325 Abs. 3 BGB:
Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.
Das bedeutet, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Schenkung des Erblassers auf den Pflichtteil umso geringer sind, je länger eine Schenkung des Erblassers zurückliegt.
Schenkungen, die mehr als zehn Jahre zurückliegen, führen grundsätzlich nicht mehr zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB. Aber auch von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen!
Der Erbe muss den Pflichtteil bezahlen
Anspruchsgegner eines Pflichtteils- wie auch Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist immer der Erbe.
Hat der Erblasser zu Lebzeiten einen Großteil seines Vermögens verschenkt und dadurch den Nachlasswert erheblich geschmälert, dann muss der Anspruchsteller eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs allerdings damit rechnen, dass der Erbe gegen die Pflichtteilsergänzung die so genannte Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB geltend macht.
Sinngemäß erklärt der Erbe mit Erhebung dieser Einrede, dass im Nachlass nicht genügend Mittel vorhanden sind, um den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu befriedigen.
Der Beschenkte muss seine Geschenke herausgeben
In diesem Moment wird der Anspruch nach § 2329 BGB für den Betroffenen interessant.
Nach § 2329 BGB kann der Betroffene nämlich von dem Empfänger der Schenkung verlangen, dass das Geschenk an ihn herausgegeben wird, wenn der Nachlass nicht (mehr) werthaltig ist.
Bei dem Empfänger der Schenkung (und damit Anspruchsgegner) kann es sich dabei um einen Miterben oder um jeden beliebigen Dritten handeln, dem der Erblasser zu Lebzeiten ein Geschenk gemacht hat.
Verjährungsfalle im BGB
Der Anspruch nach § 2329 BGB hat dabei aber eine – gern übersehene – Tücke:
Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt nämlich nach § 2332 Abs. 1 BGB direkt mit dem Erbfall zu laufen.
Der Anspruch nach § 2329 BGB verjährt damit nach anderen Regeln als ein Pflichtteils- wie auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Wer dies nicht beachtet, bekommt absehbar Probleme bei der Durchsetzung seines Anspruchs nach § 2329 BGB.
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