Pflichtteilsberechtigter kennt nicht alle Erben – Wann verjährt der Pflichtteil?
BGH – Urteil vom 04.06.2014 – IV ZR 348/13
- Tochter schlägt ihr belastetes Erbe aus und fordert den Pflichtteil
- Erben halten die Pflichtteilsberechtigte hin
- Als der Pflichtteil endlich mit einer Klage geltend gemacht wird, unterliegt er der Verjährung
Der Bundesgerichtshof hatte sich in dritter Instanz mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Klage auf den Pflichtteil, die sieben Jahre nach Eintritt des Erbfalls erhoben wurde, wegen Verjährung abgewiesen werden muss.
In der Angelegenheit war der Erbfall am 10.10.2004 eingetreten. Der Erblasser hatte seine beiden Kinder mit notariellem Testament zu seinen Erben eingesetzt.
Gleichzeitig hatte der Erblasser aber in seinem Testament zahlreiche weitere Anordnungen getroffen, mit denen die Erbschaft seiner Kinder belastet wurde. So enthielt das Testament Teilungsanordnungen, Vermächtnisse und auch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung.
Erbin schlägt die Erbschaft aus
Die Tochter und spätere Klägerin erfuhr im Rahmen der Testamentseröffnung am 28.10.2004 von diesen Belastungen und entschloss sich daraufhin, ihre Erbschaft auszuschlagen und von ihrem Recht nach § 2306 BGB Gebrauch zu machen und den Pflichtteil zu verlangen. Ebenso schlug der weitere im Testament eingesetzte Erbe, der Bruder der Klägerin, sein Erbe aus.
Am 06.03.2007, also zweieinhalb Jahre nach Erbfall und Ausschlagung, teilte das Nachlassgericht der Klägerin mit, dass einige, aber noch nicht alle, Erben, die nach der Ausschlagung der Erbschaft durch die beiden Geschwister zur Erbfolge berufen waren, ermittelt seien.
Anwalt weist selber auf Verjährungsproblematik hin
Im April 2007 schrieb der Anwalt der späteren Klägerin die vom Nachlassgericht benannten Erben an. Er forderte die Erben für die spätere Klägerin auf, Auskunft über den Nachlass zu geben und wies gleichzeitig darauf hin, dass die Verjährung für den Pflichtteilsanspruch noch im Laufe des Jahres 2007 ablaufen würde.
Die angeschriebenen Erben reagierten prompt, hielten die Pflichtteilsberechtigte aber hin.
So wurde der Pflichtteilsberechtigten mitgeteilt, dass die Ermittlungen aller Erben noch im Gange seien und die Nachlassverbindlichkeiten noch nicht abschließend beziffert könnten. Gleichzeitig wurde aber versichert, dass es nicht im Sinne der Erben sei, „die berechtigten Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten zu beeinträchtigen“.
Erben berufen sich auf Verjährung
Die Pflichtteilsberechtigte und spätere Klägerin lies die Sache daraufhin vorerst auf sich beruhen und meldete sich erst im Jahr 2008 wieder bei den Erben. Daraufhin beriefen sich die Erben ihr gegenüber auf die inzwischen eingetretene Verjährung des Pflichtteilsanspruchs.
Die Pflichtteilsberechtigte leitete daraufhin noch im Jahr 2008 ein Schiedsverfahren gegen die Erben ein. In diesem Verfahren erklärten die in Anspruch genommenen Erben, dass sie auf die Einrede der Verjährung verzichten würden, soweit diese nicht bereits eingetreten sei.
Im Jahr 2009 teilte das Nachlassgericht der Pflichtteilsberechtigten weitere Erben mit, die die Erbschaft bisher noch nicht ausgeschlagen hätten.
Im gleichen Jahr erwarben die bereits bekannten Erben sämtliche Erbteile der Erbschaft bis auf den Erbteil einer Erbin, deren Adresse nicht ermittelt werden konnte.
Im August 2011 erhob die Pflichtteilsberechtigte schließlich Klage und machte ihren Pflichtteil vor Gericht geltend.
Gerichte weisen die Klage wegen Verjährung ab
Die Klage wurde allerdings sowohl vom Landgericht als auch vom Oberlandesgericht mit Hinweis auf die inzwischen eingetretene Verjährung abgewiesen. Und auch die Revision zum Bundesgerichtshof half der Klägerin nicht.
Der BGH teilte nämlich die Rechtsauffassung der Instanzgerichte und wies die Revision kostenpflichtig zurück.
In der ausführlichen Begründung seiner Entscheidung wies der BGH zunächst darauf hin, dass auf den zu entscheidenden Fall noch die vor dem 01.01.2010 geltenden Verjährungsregeln anzuwenden seien. Nach diesen Regeln verjährte ein Pflichtteilsanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall und von seiner Enterbung erfahren hat.
Die Voraussetzungen lagen bei der Klägerin am 28.10.2004 vor. Ihr Pflichtteilsanspruch unterlag mithin ab dem 28.10.2007 der Verjährung. Die erst im Jahr 2011 erhobene Klage kam deutlich zu spät.
Die gegen diese Wertung von der Klägerin vorgebrachten Argumente wurden vom BGH sämtlich verworfen.
Ob alle Erben bekannt sind, ist für die Verjährung nicht relevant
So sei die Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Eintritts der Verjährung noch nicht sämtliche Erben feststanden, für die Frage der Verjährung nicht relevant. Gegebenenfalls müsse bei unbekannten Erben das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger bestellen, der dann auch von einem Pflichtteilsberechtigten in Anspruch genommen werden könnte.
Im Übrigen habe die Verjährung unabhängig von der Tatsache, dass der Klägerin nicht alle Erben bekannt waren, zu laufen begonnen.
Weiter wies der BGH darauf hin, dass die Erben den Pflichtteilsanspruch zu keinem Zeitpunkt im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anerkannt hätten.
Keine Hemmung der Verjährung
Ebenso wenig hätten Verhandlungen zwischen den Klageparteien zu einer Hemmung der Verjährung geführt, § 203 BGB.
Auch die Einleitung des Schiedsverfahrens im Jahr 2008 habe ebenfalls keine Auswirkung auf die Verjährung gehabt, da die Parteien keine wirksame Schiedsvereinbarung geschlossen hatten.
Schließlich stünde der Verjährung auch nicht die Vorschrift des § 211 BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift tritt die Verjährung eines Nachlassanspruchs nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen ist.
Hier kam es entscheidend darauf an, ob man im Rahmen von § 211 BGB darauf abstellt, wann auch der letzte Erbe die Erbschaft angenommen hat oder ob man auf den Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft durch den konkret in Anspruch genommenen Erben abstellt.
Meinungsstreit in der Fachliteratur
Der BGH entschied sich, gegen die überwiegende Meinung in der Literatur, für die zweite Alternative.
Würde man nicht jeden Miterben isoliert betrachten und darauf warten, dass auch der letzte Miterbe die Annahme der Erbschaft erklärt, könnte sich derjenige Miterbe, der, wie im vorliegenden Fall geschehen, die Erbschaft frühzeitig angenommen hat, für einen nicht absehbaren Zeitraum nicht auf die Verjährung berufen.
Nachdem die in Anspruch genommenen Erben die Erbschaft die Annahme der Erbschaft aber jedenfalls nicht später als zum 06.03.2007 erklärt hatten, half auch die Ablaufhemmung des § 211 BGB der Pflichtteilsberechtigten nicht weiter.
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