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Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses beim Pflichtteil – Wie viele Termine muss der Notar dem Pflichtteilsberechtigten anbieten?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Frankfurt a. M. – Beschluss vom 12.10.2021 – 10 W 29/21

  • Pflichtteilsberechtigte will dem Notar bei der Errichtung des Nachlassverzeichnisses über die Schulter schauen
  • Notar bietet der Pflichtteilsberechtigten neun Termine an, die allesamt abgelehnt werden
  • Zwangsgeldantrag gegen die Erbin scheitert

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. hatte in einem Pflichtteilsstreit die Modalitäten für die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses zu klären.

In der Angelegenheit war eine Erbin im Jahr 2018 rechtskräftig verurteilt worden, einer Pflichtteilsberechtigten ein notarielles Nachlassverzeichnis über den Bestand des Nachlasses zukommen zu lassen.

Besonders ernst nahm die Erbin diese Verpflichtung in der Folge allerdings offenbar nicht.

Gericht verhängt gegen die Erbin wiederholt Zwangsgeld

Das Gericht sah sich nämlich in den Jahren 2018, 2019 und 2020 auf Antrag der Pflichtteilsberechtigten veranlasst, gegen die Erbin Zwangsgelder in Höhe von 1.000, 2.000 und 6.000 Euro zu verhängen, um die Erbin zur Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses zu bewegen.

Der Kleinkrieg zwischen Erbin und Pflichtteilsberechtigter ging dann im Sommer des Jahres 2020 weiter.

Mit eher kurzfristigem Schreiben vom 07.07.2020 teilte der Notar der Pflichtteilsberechtigten nämlich mit, dass er zum Termin zur Feststellung des Nachlassverzeichnisses auf den 10.07.2020 lade.

Anwalt im Urlaub – Termin wird abgesagt

Diesen Termin lehnte die Pflichtteilsberechtigte prompt ab, da ihr Anwalt zum angegebenen Termin im Urlaub weilte.

Jedoch erbat die Pflichtteilsberechtigte den Notar um Mitteilung von drei alternativen Terminen mit einer Vorlaufzeit von vier Wochen.

Daraufhin schlug der Notar – leicht genervt – mit Schreiben vom 10.07.2020 als Ausweichtermine den 04.08.2020 sowie den 06.08.2020 vor.

Diese Termine monierte der Anwalt der Pflichtteilsberechtigten wiederum. Zum einen missfiel ihm, dass der Notar nur zwei und keine drei Termine benannt hatte und auch die Vorlaufzeit von vier Wochen nicht berücksichtigt habe.

Daraufhin schlug der Notar mit Schreiben vom 17.09.2020 als Termin zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses den 20., 21. oder 22.10.2020 vor.

Termine werden mit Hinweis auf Corona abgesagt

Diese Termine wurden von Seiten der Pflichtteilsberechtigten aber wiederum abgelehnt. Begründet wurde die Absage dieses Mal mit der Corona-Pandemie und der angeblichen Umzumutbarkeit einer Anreise von Pflichtteilsberechtigter samt Anwalt zum Notar.

Der Notar schlug daraufhin für 10.11., 11.11. oder 17.11.2020 nochmals drei Termine vor, die aber mit Hinweis auf die Corona-Situation selbstverständlich wieder abgelehnt wurden.

Daraufhin errichtete der Notar am 27.11.2020 ohne Mitwirkung der Pflichtteilsberechtigten das Nachlassverzeichnis und übermittelte es allen Beteiligten.

Pflichtteilsberechtigte beantragt weiteres Zwangsgeld gegen die Erbin

Die Pflichtteilsberechtigte beantragte daraufhin ein weiteres Zwangsgeld gegen die Erbin.

Begründet wurde dieser Zwangsgeldantrag unter anderem mit dem Argument, dass der Notar (und damit die Erbin) die Anwesenheit der Pflichtteilsberechtigten bei der Aufnahme des Verzeichnisses „vereitelt“ habe.

Das so entstandene Nachlassverzeichnis sei vor diesem Hintergrund gar nicht erfüllungstauglich.

Landgericht verhängt Zwangsgeld

Das Landgericht verhängte daraufhin gegen die Erbin ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro.

Gegen diesen Zwangsgeldbeschluss legte die Erbin aber sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Die Beschwerde hatte auch Erfolg.

OLG hebt das Zwangsgeld auf

Das OLG hob den Zwangsgeldbeschluss des Landgericht mit der Begründung auf, dass die Forderung der Pflichtteilsberechtigten zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses hinzugezogen zu werden, „unter den gegebenen konkreten Umständen treuwidrig (sei), da die Gläubigerin mit keinem der vom Notar vorgeschlagenen Termine einverstanden war und damit die Aufnahme des Verzeichnisses in ihrer Anwesenheit verhindert“ habe.

Die Pflichtteilsberechtigte habe, so das OLG, die vorgeschlagenen Termine insbesondere nicht mit dem pauschalen Hinweis auf die Corona-Pandemie ablehnen dürfen.

Eine Verlegung des Termins auf unbestimmte Zeit sei der Erbin nicht zumutbar gewesen.

Pflichtteilsberechtigte war nicht zur Kooperation bereit

Auch gebe es keine gesetzliche Regel, wonach der Notar zur Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses drei Termine mit einer vierwöchigen Vorlaufzeit vorschlagen muss.

Der Notar sei allenfalls verpflichtet, bei der Terminsfindung auf die Interessen auch einer Pflichtteilsberechtigten Rücksicht zu nehmen.

In Anbetracht der wiederholten Terminsabsagen sei die Pflichtteilsberechtigte bei der Terminsfindung zu einer „erhöhten Kooperationsbereitschaft“ verpflichtet gewesen.

Im Ergebnis hatte die Pflichtteilsberechtigte bzw. ihr Anwalt den Bogen überspannt und der Zwangsgeldbeschluss wurde – kostenpflichtig – aufgehoben.

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