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Der Pflichtteil - Zentrale Eckpunkte des Pflichtteilsrechts

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Der Pflichtteil steht nahen Familienangehörigen und dem Ehepartner des Erblassers zu
  • Die Testierfreiheit des Erblassers wird durch den Pflichtteil eingeschränkt
  • Für den Pflichtteil können auch zurückliegende Schenkungen des Erblassers relevant sein

Der Pflichtteil ist eine spezifische Besonderheit im deutschen Erbrecht.

Der Pflichtteil soll nächsten Verwandten und dem Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner eine Mindestbeteiligung am Nachlass sichern, selbst wenn sich der Erblasser dazu entschlossen hat, dass seine Erbschaft gänzlich andere Wege nehmen soll.

Mit dem in den §§ 2303 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) normierten Pflichtteilsrecht nimmt der Gesetzgeber demnach dem Erblasser ein Stück weit seine Entscheidungsgewalt über sein Vermögen.

Dem Erblasser ist es von Gesetzes wegen grundsätzlich verwehrt, sein Vermögen nach seinem Tod zur Gänze an seinen nächsten Familienangehörigen und seinem Ehepartner vorbei zu schleusen. Die dem Grunde nach bestehende Testierfreiheit des Erblassers wird durch das Pflichtteilsrecht nicht unerheblich eingeschränkt.

Das Gesetz enthält nur 36 Paragrafen zum Pflichtteilsrecht

In den gerade einmal 36 Paragrafen im BGB zum Pflichtteilsrecht wird detailliert geklärt, wer einen Anspruch auf den Pflichtteil geltend machen kann, wie sich die Höhe des Pflichtteilsanspruchs im Einzelfall berechnet, wer den Pflichtteil zu bezahlen hat und unter welchen Umständen der Pflichtteil sogar zur Gänze entzogen werden kann.

Die wesentlichen Eckpunkte des Pflichtteilsrecht sollen nachfolgend dargestellt werden. Einzelheiten zu den jeweiligen Eckpunkten können auf dem Erbrecht-Ratgeber in den weiteren Kapiteln zum Pflichtteil nachgelesen werden.

Wer kann den Pflichtteil geltend machen?

Berechtigt den Pflichtteil zu fordern sind Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel) sowie die Eltern, die Ehegatten und die eingetragenen Lebenspartner des Erblassers. Voraussetzung für ein Pflichtteilsrecht der vorgenannten Personen ist, dass sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen, dass sie "enterbt" wurden.

Enkel, Urenkel und Eltern des Erblassers können dann keinen Pflichtteil beanspruchen, wenn ein Kind des Erblassers den Pflichtteil verlangen kann oder vom Erblasser etwas erhalten hat, was wertmäßig dem Pflichtteil des Kindes entspricht, § 2309 BGB.

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, § 2303 BGB. Um den Pflichtteil wertmäßig beziffern zu können, muss man also zunächst den Euro-Wert der kompletten Erbschaft ermitteln und gleichzeitig feststellen, wie hoch der gesetzliche Erbteil des (enterbten) Pflichtteilsberechtigten gewesen wäre.

BeispieI:

In Zugewinngemeinschaft verheirateter Erblasser, ein Sohn

Wert der Erbschaft 1 Mio.

Gesetzlicher Erbteil des einzigen Sohnes: 1/2

Sohn in Testament von der Erbfolge ausgeschlossen

Pflichtteil Sohn: 250.000

Der Pflichtteil kann durch lebzeitige Zuwendungen des Erblassers gemindert werden

Der Pflichtteil soll dafür sorgen, dass ein naher Angehöriger oder Ehepartner angemessen am Nachlass beteiligt wird. Hat der Pflichtteilsberechtigte allerdings schon zu Lebzeiten des Erblassers Vermögenswerte von diesem bekommen, kann dies seinen Pflichtteilsanspruch nach den §§ 2315 ff. BGB schmälern.

Schenkungen des Erblassers an Dritte können den Pflichtteil erhöhen

Der Pflichtteil soll eine Mindestbeteiligung am Nachlass garantieren. Um zu verhindern, dass der Erblasser noch zu Lebzeiten sein Vermögen ganz oder in Teilen an Dritte verschenkt und auf diesem Weg den Pflichtteilsanspruch wirtschaftlich entwertet, kennt das Gesetz in § 2325 BGB einen so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Relevant sind hierbei Schenkungen des Erblassers während der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall. Bei Schenkungen unter Eheleuten gilt diese 10-Jahres-Grenze allerdings de facto nicht.

Gerade Kinder als Pflichtteilsberechtigte sollten daher auch bei Schenkungen der Eltern, die länger als zehn Jahre zurück liegen, im Zweifel etwas genauer hinschauen.

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