Welche Pflichten hat der Notar beim notariellen Nachlassverzeichnis?
- Notar muss Hinweisen auf Nachlassvermögen nachgehen
- Notar muss den Nachlass eigenständig ermitteln
- Notar darf sich nicht nur auf Angaben des Erben verlassen
Erbe und Pflichtteilsberechtigter sind von Natur aus Feinde.
Das Gesetz sieht nämlich in § 2314 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) vor, dass der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten die Grundlagen für dessen Pflichtteilsanspruch liefern muss.
Je detaillierter, umfassender und vor allem wahrheitsgemäßer die Auskünfte des Erben sind, desto einfacher tut sich der Pflichtteilsberechtigte, den ihm zustehenden Anspruch zu beziffern und geltend zu machen.
Erben geben sich oft eher zugeknöpft
Andersherum: Je weniger der Erbe an Informationen preisgibt, je mehr Nachlassvermögen er im Rahmen der von ihm geschuldeten Auskunft „vergisst“ oder vorsätzlich verheimlicht, desto weniger Geld muss er am Ende an den Pflichtteilsberechtigten bezahlen.
Diese im Hinblick auf die diametral gegensätzlichen Interessen von Erbe und Pflichtteilsberechtigtem gesetzgeberische Fehlkonstruktion beeinflusst dabei nicht nur ein von einem Erben privat erstelltes Nachlassverzeichnis.
Vielmehr kann sich der Pflichtteilsberechtigte selbst dann nicht sicher sein, vernünftige Auskünfte zum Nachlassbestand zu erhalten, wenn er den Erben auffordert, ein „notarielles Nachlassverzeichnis“ zu übermitteln.
Notar persönlich wird nur in den seltensten Fällen tätig
Der Pflichtteilsberechtigte darf bei einem notariellen Nachlassverzeichnis nämlich nicht annehmen, dass sich nunmehr ein Notar daran machen wird, den Nachlass akribisch zu ermitteln.
In so gut wie allen Fällen wird nämlich bei dem vom Erben (!) beauftragten Notar nicht der Notar selber, sondern ein vom Notar eingeschalteter Mitarbeiter tätig.
Dieser Mitarbeiter hat in aller Regel genügend andere Arbeit auf seinem Schreibtisch liegen und geht bei seinen Recherchen zunächst so gut wie immer von den Angaben des Erben zum Bestand des Nachlasses aus.
Häufig müssen die Gerichte entscheiden
Dass diese Ermittlungen für den Pflichtteilsberechtigten oft nicht sonderlich zufrieden stellend sind, kann man an der Häufigkeit der Gerichtsprozesse ablesen, die zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten über die Güte des notariellen Nachlassverzeichnisses geführt werden.
Notare sind dabei aber auch nicht zu beneiden.
Gerichte konstatieren nämlich auf der einen Seite, dass Notare bei der Ermittlung des Nachlassbestandes weder detektivisch tätig werden, noch über hellseherische Fähigkeiten verfügen müssen.
Notar muss den Nachlass selbstständig ermitteln
Auf der anderen Seite sollen Notare aber, so ebenfalls die einhellige Meinung der Gerichte, „zur Vornahme von Ermittlungen berechtigt und verpflichtet“ sein.
Messlatte für die vom Notar geschuldeten Aktivitäten seien diejenigen Ermittlungstätigkeiten, „die ein objektiver Dritter in der Lage des Pflichtteilsberechtigten im Einzelfall erwarten“ dürfe.
Ohne konkrete Anhaltspunkte sei der Notar aber jedenfalls nicht verpflichtet, „in alle Richtungen zu ermitteln“.
Pflichtteilsberechtigter benötigt Anhaltspunkte zum Nachlassvermögen
Wenn der Erbe aber Vermögen des Erblassers vorsätzlich und hartnäckig verschweigt, kann der Pflichtteilsberechtigte dem Notar gar keine „Anhaltspunkte“ für weitere Ermittlungen liefern.
In Anbetracht dieses Dilemmas darf man davon ausgehen, dass wütende Pflichtteilsberechtigte auch zukünftig die Gerichte bemühen werden, um in Anbetracht eines eher unmotivierten notariellen Nachlassverzeichnisses zu ihrem Recht zu kommen.
Ob dabei die Bemühungen des Pflichtteilsberechtigten am Ende von Erfolg gekrönt sein werden, wird in jedem Einzelfall aufs Neue ausgeknobelt werden müssen.
Ohne eigene Ermittlungen des Notars ist ein notarielles Nachlassverzeichnis unbrauchbar
Nicht immer liegt der Sachverhalt nämlich so klar, wie in einem vom Landgericht Bielefeld (Teilurteil vom 30.09.2020, Az.: 3 O 21/20) unlängst entschiedenen Fall:
Dort musste sich der Erbe (und der Notar) nämlich folgendes ins Stammbuch schreiben lassen:
Eine Auskunft ist „insbesondere dann nicht erfüllungstauglich, wenn sich der Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeiten beschränkt hat“.
In dem vom Landgericht Bielefeld behandelten Fall durften Erbe und Notar damit einen weiteren Versuch unternehmen, ein ordnungsgemäßes notarielles Nachlassverzeichnis zu erstellen.
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