Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr rechtfertigt eine komplette Enterbung
OLG Oldenburg – Beschluss vom 08.07.2020 – 3 W 40/20
- Sohn wird wegen schweren Raubs zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt
- Mutter enterbt ihren Sohn mit Hinweis auf seine Straftat
- Gerichte bestätigen die Enterbung als wirksam
Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte über die Frage zu entscheiden, ob ein in einem Testament angeordneter Entzug des Pflichtteils wirksam ist.
In der Angelegenheit hatte eine Mutter in einem gemeinschaftlichen Testament angeordnet, dass ihr Sohn von der Erbfolge ausgeschlossen ist und der Sohn darüber hinaus auch keinen Pflichtteil erhalten soll.
Begründet wurde diese komplette Enterbung des Sohnes mit dem Hinweis in dem Testament auf eine mehrjährige Gefängnisstrafe, die der Sohn wegen einer Straftat in einer bestimmten Justizvollzugsanstalt verbüßt hatte.
Sohn der Erblasserin beantragt Prozesskostenhilfe
Nach dem Tod seiner Mutter wollte der Sohn diese komplette Enterbung aber nicht akzeptieren.
Er beantragte vielmehr Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er seinen Pflichtteil vor Gericht durchsetzen wollte.
Das Landgericht wies diesen Prozesskostenhilfeantrag des Sohnes der Erblasserin mit der Begründung ab, dass die im Testament angeordnete Enterbung wirksam sei und die beabsichtigte Klage daher keine Erfolgsaussichten habe.
Gegen diese Entscheidung des Landgerichts legte der Sohn der Erblasserin sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
OLG weist Beschwerde als unbegründet ab
Das OLG wies diese Beschwerde aber als unbegründet ab. Auch das OLG entschied, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskosten nicht vorliegen würden.
In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB der Pflichtteil entzogen werden könne, wenn der Pflichtteilsberechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt worden ist und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist.
Diesen Tatbestand sahen die Richter im zu entscheidenden Fall als gegeben an.
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten
Der Sohn der Erblasserin war unstreitig wegen eines von ihm begangenen schweren Raubs zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden.
Der Einwand des Sohnes der Erblasserin, er sei seinerzeit – angesichts mehrerer von ihm begangener Straftaten – zu einer „Gesamtstrafe“ verurteilt worden, konnte nicht verfangen.
Zum einen klärte der Sohn der Erblasserin nicht auf, zu welchen Einzelstrafen er konkret verurteilt wurde.
Weiter verwies das OLG darauf, dass die Mindeststrafe für den vom Betroffenen verwirklichten Straftatbestand des schweren Raubes jedenfalls bei einem Jahr Freiheitsstrafe liegen würde.
Angaben im Testament reichen für einen Entzug des Pflichtteils
Weiter stellte das OLG fest, dass auch die Angaben in dem gemeinsamen Testament ausreichend sind, um einen Entzug des Pflichtteils zu rechtfertigen.
Die Angaben im Testament müssten „hinreichend konkret erfolgen, so dass später gerichtlich geklärt werden kann, auf welchen Entziehungsgrund der Erblasser seinen Entschluss stützte. Zugleich soll so ein „Nachschieben von Gründen“ durch die Erben in einem Pflichtteilsentziehungsprozess vermieden werden.“
Die Erblasserin habe aber, so das OLG, in ihrem Testament den für die Entziehung des Pflichtteils erforderlichen „Sachverhaltskern“ mitgeteilt.
Es sei durch die Angaben in dem Testament klar, auf welchen Sachverhalt die Erblasserin Bezug genommen habe.
Straftaten des Sohnes widersprachen den Wertvorstellungen der Erblasserin
Schließlich könne man, so das OLG, dem Testament auch entnehmen, warum die strafrechtliche Verurteilung ihres Sohnes von der Erblasserin als unzumutbar im Sinne von § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB empfunden worden ist.
Es sei dem Testament jedenfalls zu entnehmen, dass die Verurteilung ihres Sohnes zu einer mehrjährigen Haftstrafe den Wertvorstellungen der Erblasserin deutlich widersprochen habe.
Aus diesem Grund war die Teilhabe ihres Sohnes an ihrem Nachlass für die Erblasserin unzumutbar und die komplette Enterbung des Sohnes im Ergebnis gerechtfertigt.
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