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Faustschlag ins Gesicht und Tritte gegen den Körper rechtfertigen die Entziehung des Pflichtteils

Von: Dr. Georg Weißenfels

LG Hagen – Urteil vom 08.02.2017 – 3 O 171/14

  • Sohn verletzt eigenen Vater schwer
  • Vater enterbt Sohn in Testament komplett
  • Enkel verlangt nach dem Tod des Vaters seinen Pflichtteil

Das Landgericht Hagen hatte über die Frage zu befinden, unter welchen Voraussetzungen ein Vater seinem Sohn den Pflichtteil entziehen kann.

In der Angelegenheit hatte ein Enkel nach dem Tod seines Großvaters einen Anspruch auf seinen Pflichtteil geltend gemacht.

Im gerichtlichen Verfahren verteidigten sich die mit dem Pflichtteilsanspruch konfrontierten Erben mit dem Argument, dass ein Anspruch des Enkels nicht gegeben sei, da der Vater des Enkels und Sohn des Erblassers in dem Erbfall seinen Pflichtteil hätte verlangen können, § 2309 BGB.

Diese Argumentation wollte der pflichtteilsberechtigte Enkel aber nicht geltend lassen und Verwies auf den Umstand, dass seinem Vater von dem Erblasser sein Recht auf den Pflichtteil entzogen worden war. Der Vater des Enkels war nämlich im Jahr 1987 vom Amtsgericht rechtkräftig wegen einer gegen den Erblasser begangenen schweren Körperverletzung verurteilt worden.

Nach Körperverletzung entzieht der Vater seinem Sohn den Pflichtteil

Diese Straftat hatte der Erblasser zum Anlass genommen, um in seinem Testament seinem Sohn den Pflichtteil zu entziehen.

Das Landgericht hielt diese Pflichtteilsentziehung auch für wirksam. In der Folge konnte der klagende Enkel als entfernterer Abkömmling des Erblassers seinen Pflichtteil fordern.

In der Begründung seiner Entscheidung wies das Landgericht zunächst darauf hin, dass die vom Erblasser gewünschte Pflichtteilsentziehung formwirksam durch Testament angeordnet worden sei.

Insbesondere seien die Angaben des Erblassers in dem Testament mit Bezugnahme auf die strafrechtliche Verurteilung seines Sohnes hinreichend konkret und für die Entziehung des Pflichtteils ausreichend.

Gericht: Pflichtteilsentziehungsgrund liegt vor

Ebenso hielt das Gericht den Entziehungsgrund nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB für gegeben.

Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser schuldig macht.

Die durch den Sohn begangene schwere Körperverletzung stelle ein solches schweres Vergehen dar.

Dabei sei für die Beurteilung der Schwere eines Vergehens nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich zu untersuchen, ob „in der Verfehlung eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses zum Ausdruck gebracht wird und sie deshalb eine besondere Kränkung des Erblassers bedeutet.“

Das Gericht plädierte dabei dafür, den Begriff der „Schwere des Vergehens“ durch eine allgemeine Abwägung der Testierfreiheit auf der einen Seite und des Pflichtteilsrechts auf der anderen Seite zu konkretisieren.

Körperverletzung als schweres Vergehen

In Anbetracht der Brutalität, mit der der Sohn seinerzeit gegen seinen körperlich unterlegenen Vater vorgegangen war, hatte das Gericht wenig Bedenken, die Handlung des Sohnes als „schweres Vergehen“ einzustufen.

Damit blieb der Entzug des Pflichtteils wirksam und der Enkel konnte als Abkömmling seinen Pflichtteil nach dem Tod seines Großvaters verlangen.

Die Beklagtenseite hat allerdings gegen das Urteil des Landgerichts Berufung zum Oberlandesgericht Hamm eingelegt.

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