Brüderpaar verklagt Stiefschwester auf Pflichtteilsergänzung – Gericht weist Klage ab
Landgericht Paderborn - Urteil vom 03.09.2010 - 2 O 53/10
- Tochter erhält von ihrem Vater eine Immobilie und verzichtet im Gegenzug auf ihren Pflichtteil
- Nach dem Tod des Vaters machen zwei Söhne des Vaters gegen die Tochter Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend
- Gericht verneint eine Schenkung des Vaters an die Tochter
Mit einem relativ typischen Fall aus dem Pflichtteilsrecht hatte es das Landgericht Paderborn zu tun.
Der Erblasser war in zweiter Ehe verheiratet und hatte seine Ehefrau in einem Testament als Alleinerbin eingesetzt. Aus der zweiten Ehe war eine Tochter hervorgegangen. Aus erster Ehe hatte der Erblasser zwei Söhne.
Noch zu Lebzeiten des Erblassers hatte seine Tochter mit notariellem Vertrag aus dem Jahr 2003 für sich und ihre Nachkommen auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Tod des zuerst sterbenden Elternteils verzichtet. In dem notariellen Vertrag wurde der Tochter, als Ausgleich für den Pflichtteilsverzicht, ein Grundstück übertragen. Der Wert des Grundstücks wurde in dem Vertrag mit 10.000 Euro angegeben.
Söhne des Erblassers machen Pflichtteil geltend
Nach dem Tod des Vaters mussten die Söhne aus erster Ehe feststellen, dass der an die Ehefrau als Alleinerbin fallende Nachlass gerade noch über einen Wert in Höhe von rund 12.000 Euro verfügte.
Die Söhne nahmen daraufhin im Jahr 2008 zunächst die zweite Ehefrau ihres Vaters auf Pflichtteilsergänzung in Anspruch.
Nachdem sie jedoch zu der Auffassung gelangten, dass der Nachlass nicht werthaltig genug für ihre Pflichtteilsansprüche ist, nahmen sie ihre Stiefschwester nach § 2329 BGB wegen der im Jahr 2003 erfolgten Grundstücksübertragung in Anspruch.
Nach Auffassung des Brüderpaars war das der Tochter im Jahr 2003 von den Eltern übertragene Grundstück nämlich weit mehr als nur die im Vertrag angegebenen 10.000 Euro wert. Die Brüder taxierten das Grundstück mit einem Betrag in Höhe von rund 128.000 Euro. Bei der Übertragung des Grundstücks habe es sich um eine Schenkung der Eltern an ihre Tochter gehandelt.
Subsidiäre Haftung der Tochter des Erblassers?
Da der der zweiten Ehefrau als Alleinerbin hinterlassene Nachlass aber nicht zur Befriedigung der Pflichtteilsansprüche des Bruderpaars ausreiche, hafte die Tochter, so der Vortrag der Brüder, als Beschenkte im Sinne von § 2329 BGB subsidiär. Die Brüder begehrten die Feststellung, dass ihre Stiefschwester als Beschenkte zur Herausgabe des im Jahr 2003 erhaltenen Grundstücks verpflichtet sei.
Das Gericht wies die Klage in vollem Umfang ab.
Voraussetzung für einen Anspruch nach § 2329 BGB des Pflichtteilsberechtigten gegen den vom Erblasser Beschenkten sei nämlich, so das Gericht, grundlegend, dass es sich bei dem Rechtsgeschäft zwischen Erblasser und Dritten überhaupt um eine Schenkung handelt. Dies war im vorliegenden Fall jedoch zu verneinen.
Eine Schenkung liege nur vor, wenn die hingegebene Leistung des Schenkers unentgeltlich und ohne Gegenleistung ist. Im vorliegenden hatte die Tochter jedoch in demselben Vertrag, in dem ihr das Grundstück übertragen wurde, auf Pflichtteilsrechte verzichtet.
Dies war eine Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks, mithin wurde der Tochter das Grundstück auch nicht durch eine Schenkung übertragen. Auch das Vorliegen einer so genannten gemischten Schenkung wurde vom Gericht verneint.
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