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Zuwendungen unter Eheleuten erhöhen regelmäßig den Pflichtteil

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Auch Geschenke unter Eheleuten führen zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch
  • Die zehn-Jahres-Frist gilt bei Geschenken unter Eheleuten regelmäßig erst ab dem Erbfall
  • Eheleute sollten im Zweifel vorbauen, um Überraschungen im Erbfall zu vermeiden

§ 2325 BGB sieht vor, dass der Pflichtteilsberechtigte unter Umständen eine Erhöhung seines Pflichtteils verlangen kann, wenn der Erblasser noch zu Lebzeiten an einen Dritten eine Schenkung vollzogen hat und auf diesem Weg den Wert des Nachlasses geschmälert hat.

Der Wert der Schenkung wird grundsätzlich fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet. Mit dem so fiktiv berechneten Nachlasswert erhöht sich naturgemäß auch die Höhe des Pflichtteilsanspruchs.

Der Erbrecht-Ratgeber bietet an anderer Stelle nähere Informationen zum so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Pflichtteilsergänzung bei Geschenken an den Ehepartner

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB greift aber nicht nur, wenn der Erblasser beliebigen Dritten außerhalb der Familie, beispielsweise einer guten Bekannten oder einem alten Freund, Schenkungen zukommen lässt. Ein Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils ist auch dann begründet, wenn die Schenkung noch zu Lebzeiten an die eigenen Kinder, oder an den Ehepartner vorgenommen wird.

Dieser bei Schenkungen an den Ehepartner bestehende Pflichtteilsergänzungsanspruch wurde und wird in der erbrechtlichen Literatur heftig kritisiert. Diese Kritik hielt die Gerichte in Deutschland bis zuletzt jedoch, abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen, nicht davon ab, dem Pflichtteilsberechtigten auch bei Schenkungen des Erblassers an den Ehepartner einen Pflichtteilsergänzungsanspruch zuzusprechen.

Folgendes Beispiel soll die Problematik verdeutlichen:

Die Eheleute erwerben mit Hilfe von Darlehen in jungen Jahren ein Haus. Im Grundbuch werden beide Eheleute je zur Hälfte als Miteigentümer eingetragen. In der Folge werden die Darlehensraten vom alleine verdienenden Ehemann bedient. Die Ehefrau versorgt den Haushalt und vier Kinder.

Berliner Testament löst Pflichtteilsansprüche der Kinder aus

Die Eheleute setzen ein gemeinsames Testament auf, das klassisch vorsieht, dass sich die Eheleute zunächst gegenseitig beerben und die gemeinsamen Kinder nach dem Tod des länger lebenden Schlusserben sein sollen. Nachdem das Haus abbezahlt ist, verstirbt der Ehemann.

Eines der vier Kinder verlangt nunmehr nach dem Tod des Vaters seinen Pflichtteil. Der Wert des Pflichtteils wird in diesem Fall aber nicht nur nach dem Wert des hälftigen Miteigentumsanteils des verstorbenen Vaters bemessen.

Nach Auffassung der Gerichte in Deutschland kann der Pflichtteilsberechtigte im vorliegenden Fall auch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gelten machen, da die zweite Haushälfte der Mutter dieser von dem alleine verdienenden Ehemann während der Dauer der Ehe unentgeltlich „geschenkt“ wurde.

Auch Jahre zurückliegende Geschenke fallen in voller Höhe in die Pflichtteilsergänzung

Die von der Mutter (als Alleinerbin) zu tragende Pflichtteilslast bemisst sich damit in dem Beispielsfall auch nach dem Wert der der Mutter gehörenden (und vom Ehemann geschenkten) Haushälfte.

Erschwerend kommt bei Schenkungen unter Ehegatten hinzu, dass diese nicht wie eine Schenkung an jeden x-beliebigen Dritten nach § 2325 Abs. 3 BGB jährlich abschmelzend und nach dem zehnten Jahr gar nicht mehr berücksichtigt wird. Bei Schenkungen unter Eheleuten beginnt die Zehnjahresfrist nach § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB vielmehr ausdrücklich „nicht vor Auflösung der Ehe“.

Bei Tod eines Ehepartners (und der damit verbundenen „Auflösung der Ehe“) müssen also grundsätzlich auch diejenigen Schenkungen des Erblassers an den Ehepartner in die Ergänzung des Pflichtteils miteinbezogen werden, die jahre- oder sogar jahrzehntelang zurückliegen. Hiervon ausgenommen sind nur so genannte Anstandsschenkungen nach § 2330 BGB.

Wie oben bereits erwähnt, wird dieses Ergebnis in der erbrechtlichen Literatur vehement kritisiert. Der Bundesgerichtshof als oberste gerichtliche Instanz der Zivilgerichte betont jedoch regelmäßig, dass in Bezug auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch in § 2325 BGB auch so genannte „ehebedingte Zuwendungen“ grundsätzlich wie Schenkungen zu behandeln sind.

Ausnahme für ehebedingte Zuwendungen

Eine Ausnahme lässt die Rechtsprechung nur dann zu, wenn die „ehebedingte Zuwendung“ unterhaltsrechtlich geschuldet war, der Alterssicherung oder der Vergütung von Diensten diente oder der Zuwendung eine konkrete Gegenleistung des „beschenkten“ Ehegatten gegenüberstand.

Die Anzahl der Urteile, in denen aus den vorgenannten Gründen eine Unentgeltlichkeit einer ehebedingten Zuwendung und damit auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch verneint wurde, ist jedoch durchaus überschaubar.

So hat beispielsweise das Oberlandesgericht Oldenburg (FamRZ 2000, 638) die Entlohnung einer Ehefrau für ihre 30jährige Tätigkeit als Sprechstundenhilfe in der Praxis ihres Mannes als entgeltlichen Vorgang gewertet und entsprechend einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Bezug auf an die Ehefrau geflossene Zahlungen verneint.

Die in dem oben beschriebenen Beispielsfall aufgetretenen Probleme lassen sich durch die Vermeidung des doppelten Erbgangs umgehen.

Hätten die Eltern noch zu beider Lebzeiten das Familienheim auf die Kinder übertragen und sich gleichzeitig ein grundbuchrechtlich gesichertes Wohnrecht einräumen lassen, dann hätte sich die Mutter bei Tod des Vaters zumindest hinsichtlich der Immobilie nicht mit Pflichtteilsergänzungsansprüchen herumschlagen müssen.

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