Erbscheinverfahren kann teuer werden - Geschäftswert für die Kosten ist der gesamte Nachlass!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Karlsruhe - Beschluss vom 16.6.2016 - 11 Wx 103/15

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte darüber zu befinden, wie sich der Geschäftswert in einem gerichtlichen Streitverfahren über die Erteilung eines Erbscheins berechnet.

Die Angelegenheit hatte mit einem Streit über die Erbfolge begonnen. Der Erblasser hatte in einem Testament seine beiden Kinder, eine Tochter und ein Sohn, als alleinige Erben eingesetzt.

Seine spätere Ehefrau erklärte allerdings nach Eintritt des Erbfalls die Anfechtung dieses Testaments. Sie trug vor, dass der Erblasser sie durch dieses Testament unbeabsichtigt von der Erbfolge ausgeschlossen habe.

Die Ehefrau des Erblassers beantragte mit Hinweis auf die Anfechtung einen Erbschein, der sie neben den beiden Kindern als gesetzliche Erben ausweisen sollte.

Diesem Antrag trat die Tochter des Erblassers entgegen. Sie vertrat die Auffassung, dass die Anfechtung der Ehefrau ins Leere geht und beantragte in der Folge ihrerseits beim Nachlassgericht einen Erbschein, der sie gemeinsam mit ihrem Bruder als je hälftige Testamentserben ausweisen sollte.

Ehefrau gewinnt Verfahren um Erbschein in zwei Instanzen

Die Ehefrau gewann diesen Rechtsstreit in zwei Instanzen. Auch im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht unterlag die Tochter des Erblassers.

Der Ärger der Tochter über den Ausgang des Verfahrens wurde allerdings noch größer, als sie die Rechnung über die von ihr zu bezahlenden Gerichtskosten erhielt. Als Basis für diese Rechung hatte das OLG nämlich den kompletten Nachlasswert als Geschäftswert festgesetzt.

Hiergegen protestierte die in dem Rechtsstreit unterlegene Tochter des Erblassers. Sie ließ das Gericht wissen, dass sich der Gegenstandswert an dem wirtschaftlichen Interesse zu orientieren habe, das sie an der Erteilung des Erbscheins gehabt habe. Dieses Interesse bezifferte die Tochter des Erblassers auf lediglich 1/8 des Nachlasswertes.

Auf den Protest der Tochter des Erblassers überprüfte der OLG-Senat seine Geschäftswertfestsetzung nochmals und blieb aber bei seiner Entscheidung, dass für das Beschwerdeverfahren in einer Erbscheinsangelegenheit der komplette Nachlasswert als Geschäftswert zugrunde zu legen ist.

Der Geschäftswert eines Erbscheinsbeschwerdeverfahrens bestimme sich, so das OLG, ausdrücklich nicht nach dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführer.

Das OLG Karlsruhe räumte dabei in seiner Entscheidung ein, dass diese Frage von zahlreichen Oberlandesgerichten in Deutschland abweichend beurteilt wird.

Spezialvorschrift im GNotKG

Auch im Beschwerdeverfahren müsse zur Bestimmung des Geschäftswertes auf die Vorschrift des § 40 GNotKG abgestellt werden. Ein Rückgriff auf die Billigkeitsvorschrift in § 36 GNotKG zur Bestimmung des Geschäftswertes sei nicht möglich.

§ 36 GNotKG sei insoweit eine Auffangnorm, die aber im zu entscheidenden Fall nicht greife, da die Vorschrift in § 40 GNotKG spezieller sei.

Auch ein Pflichtteilsrecht der Ehefrau, dass dieser im Falle des Obsiegens der Tochter zugestanden hätte, mindere den Geschäftswert nicht. Nach § 40 Absatz 1 Satz 2 GNotKG könne man nämlich bei der Geschäftswertbemessung im Erbscheinsverfahren nur die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten abziehen. Pflichtteilsansprüche gehörten, so das OLG, nach allgemeiner Auffassung aber nicht zu diesen vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten.

Einem übermäßigen Kostenrisiko könnten Erbprätendenten dadurch entgehen, indem sie lediglich einen auf ihren Erbteil beschränkten Teilerbschein beantragen.

Im Ergebnis musste die Tochter also die auf dem kompletten Nachlasswert basierende Kostenrechnung bezahlen.

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