Beschwerde im Erbscheinverfahren – Wie bemisst sich der Gegenstandswert im Beschwerdeverfahren?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Hamm - Beschluss vom 05.08.2015 – 15 W 341/14

  • Schwester der Erblasserin legt Beschwerde gegen Erteilung eines Erbscheins ein und verliert
  • Beschwerdeführerin muss Kosten der anderen Beteiligten übernehmen
  • Der Beschwerdewert wird auf 350.000 Euro korrigiert

Das Oberlandesgericht Hamm hatte im Rahmen eines Erbscheinverfahrens darüber zu entscheiden, wie sich der Gegenstandswert für eine Beschwerde im Erbscheinverfahren bemisst.

In der Angelegenheit hatten drei in einem Testament benannte Erben nach dem Tod der Erblasserin beim Nachlassgericht einen Erbschein beantragt und auch erhalten.

Gegen diese Erteilung des Erbscheins hatte eine Schwester der Erblasserin Beschwerde eingelegt. Ihrer Auffassung nach war der erteilte Erbschein unrichtig. Sie hielt die Anordnungen in dem Testament der Erblasserin lediglich für Vermächtnisse. Ihrer Auffassung nach hätte der Erbschein richtigerweise sie, die Schwester der Erblasserin, als hälftige gesetzliche Erbin ausweisen müssen.

Mit dieser Auffassung scheiterte die Schwester der Erblasserin allerdings sowohl vor dem Nachlassgericht als auch vor dem OLG. Die von der Schwester der Erblasserin gegen die Erteilung des Erbscheins eingelegte Beschwerde wurde entsprechend vom OLG kostenpflichtig zurückgewiesen.

Beschwerdeführerin muss die Kosten übernehmen

In dem Beschluss, mit dem die Beschwerde zurückgewiesen wurde, erlegte das OLG der Beschwerdeführerin auf, die Kosten der drei Erben im Beschwerdeverfahren zu übernehmen. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wurde vom OLG auf einen Betrag in Höhe von 118.000,00 Euro festgesetzt.

Mit dieser Festsetzung des Gegenstandswertes waren allerdings vorzugsweise die anwaltlichen Vertreter der drei Erben nicht einverstanden. Sie beantragten beim OLG den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren auf den tatsächlichen Nachlasswert in Höhe von 700.000,00 Euro, hilfsweise aber jedenfalls auf einen Betrag in Höhe von 350.000,00 Euro, den hälftigen Nachlasswert, festzusetzen.

Diesem Antrag entsprach das OLG und setzte den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren auf einen Betrag in Höhe von 350.000,00 Euro hoch.

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass die gesetzliche Grundlage für die Festsetzung des Gegenstandswertes im Beschwerdeverfahren der § 61 Abs. 1 S. 1 GNotKG sei.

Die gestellten Anträge bestimmen den Geschäftswert

Dort ist folgendes geregelt:

Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Geschäftswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers.

Zum genaueren Verständnis dieser Norm führte das OLG zunächst aus, dass nach der mit Wirkung zum 01.08.2013 außer Kraft getretenen Kostenordnung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten der Gegenstandswert vom Gericht nach freiem Ermessen zu bestimmen war. Entscheidend war dabei immer das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers.

Ging es bei der Beschwerde nur um einen Anteil am Nachlass, so bestimmte sich der Gegenstandwert auch nur nach diesem Erbteil.

Diese Betrachtungsweise sei, so das OLG, auch unter dem Regime des GNotKG geboten.

Insbesondere lehnte es das OLG ab, in Anwendung des § 40 GNotKG den kompletten Nachlasswert auch für das Beschwerdeverfahren zugrunde zu legen. § 40 GNotKG würde alleine das erstinstanzielle Erbscheinverfahren vor dem Nachlassgericht betreffen, nicht aber das Beschwerdeverfahren.

Hälftiges Erbe geltend gemacht - Hälftiger Nachlasswert ist für die Kosten maßgeblich

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens könne jedoch hinter dem Gegenstandswert des Verfahrens erster Instanz wertmäßig zurückbleiben. So gehe es der Beschwerdeführerin im zu entscheidenden Fall nur um ihre – behauptete – Stellung als hälftige Erbin der Erblasserin.

„Im Erbscheinsverfahren beschränkt sich das Interesse des Beschwerdeführers … darauf, die Erteilung eines Erbausweises zu verhindern, der derjenigen erbrechtlichen Position entgegensteht, die der Beschwerdeführer für sich selbst in Anspruch nimmt.“

 Diese erbrechtliche Position, die dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers entspricht, bestimmt die Höhe des Gegenstandswertes im Beschwerdeverfahren.

Nur bei dieser Betrachtungsweise könne in Erbscheinverfahren ein hohes Kostenrisiko für den Beschwerdeführer vermieden werden und im Ergebnis ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden.

Im Ergebnis musste der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren demnach auf den hälftigen Nachlasswert in Höhe von 350.000,00 festgesetzt werden.

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