Durch gemeinsames Testament oder Erbvertrag gebunden? Zuwendungsverzicht verschafft Handlungsspielraum!
- Erbvertrag oder gemeinsames Ehegattentestament können die Testierfreiheit einschränken
- Notarieller Zuwendungsverzicht verschafft Betroffenen wieder Handlungsfreiheit
- Nach einem Zuwendungsverzicht kann man die eigene Erbfolge wieder nach Belieben gestalten
Die Testierfreiheit des Erblassers ist im deutschen Erbrecht ein hohes Gut. Der Erblasser alleine soll darüber bestimmen dürfen, wie sich seine Erbfolge nach dem Erbfall gestaltet.
Diese Handlungsfreiheit für den Erblasser zeigt sich unter anderem auch daran, dass es dem Erblasser grundsätzlich unbenommen ist, ein einmal errichtetes Testament nach Belieben wieder zu widerrufen oder auch abzuändern.
Wenn es dem Erblasser gefällt, kann er sein Testament auch im Wochenrhythmus ändern und jedes Mal einen anderen Erben als seinen Rechtsnachfolger bestimmen.
Gemeinsames Testament und Erbvertrag binden den Erblasser
Diese nahezu schrankenlose Handlungsfreiheit endet für den Erblasser aber dort, wo er zu speziellen Mitteln gegriffen hat, um seine Erbfolge zu regeln.
Immer dann, wenn der Erblasser seine Erbfolge zusammen mit einer anderen Person geregelt hat, kann sich für den Erblasser aus dieser Regelung eine Bindungswirkung ergeben, die der Erblasser gegebenenfalls nicht ohne weiteres beseitigen kann.
Namentlich bei Abfassung eines gemeinschaftlichen Testaments oder bei Abschluss eines Erbvertrages musste nämlich schon so manch ein Erblasser erfahren, dass eine Änderung der Erbfolgeregelung nicht mehr möglich ist.
So kann sich zum Beispiel eine Bindung eines Ehepartners, der seine Erbfolge im Rahmen eines gemeinsamen Testaments geregelt hat, aus der Vorschrift in § 2271 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ergeben.
Haben Eheleute nämlich gemeinsam testiert und beispielsweise – wie oft üblich – sich zunächst gegenseitig als Erben eingesetzt und als Schlusserben die gemeinsamen Kinder benannt, dann ist der überlebende Ehepartner nach dem Ableben des zuerst versterbenden Partners in aller Regel an diese Erbfolgeregelung gebunden.
Der überlebende Ehepartner kann nach dem Tod seines Partners regelmäßig die Schlusserbeneinsetzung der Kinder nicht mehr abändern.
Insofern bestimmt § 2271 Abs.2 BGB folgendes:
Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tod des anderen Ehegatten.
Es mag sich also das Verhältnis zu dem (als Schlusserben eingesetzten) eigenen Kind noch so dramatisch entwickelt haben, ein Widerruf der gemeinsam getroffenen Entscheidung, das Kind als Erbe des Familienvermögens einzusetzen, ist oft nicht mehr möglich.
Zuwendungsverzicht verschafft dem Erblasser wieder Handlungsfreiheit
Es gibt allerdings einen Weg, wie sich der durch gemeinsames Testament oder Erbvertrag gebundene Erblasser wieder aus der Bindung lösen und seine volle Handlungsfreiheit erlangen kann.
Nach § 2352 BGB besteht nämlich die Möglichkeit, dass sich der (gebundene) Erblasser und der (bindend eingesetzte) Erbe zu einem Notar begeben und dort einen so genannten Zuwendungsverzichtsvertrag beurkunden lassen.
Der Erbe erklärt in einem solchen Vertrag, dass er auf sein ihm laut gemeinsamen Testament bzw. Erbvertrag zustehendes Erbrecht verzichtet. Eine solche Erklärung wirkt sich dergestalt aus, dass das Erbe bei dem Verzichtenden im Erbfall nicht anfällt.
Der Erblasser erlangt auf diesem Weg die volle Testierfreiheit wieder und kann in der Folge ein neues Testament errichten und dort über den Gang seines Vermögens nach seinem Ableben neu bestimmen.
Soweit es Erblasser und Erbe in dem Zuwendungsverzichtvertrag nicht abweichend regeln, erstreckt sich der Zuwendungsverzicht auch auf Abkömmlinge des Erben, §§ 2352 i.V.m. 2349 BGB.
Was hat der Erbe von einem Zuwendungsverzichtsvertrag?
Der Knackpunkt bei einem Zuwendungsverzichtsvertrag ist der Umstand, dass der Erblasser zwingend den (bindend eingesetzten) Erben für den wirksamen Abschluss des Vertrages benötigt.
Auf den ersten Blick erscheint es aus Sicht des Erben allerdings denkbar ungünstig, einen solchen Zuwendungsverzichtsvertrag zu unterschreiben, verliert er doch dadurch seine Erbschaft und damit gegebenenfalls nicht unerhebliche Vermögenswerte.
Der Erblasser wird dem Erben also regelmäßig einen Anreiz in Form einer finanziellen Kompensation anbieten müssen, um beim Erben die Bereitschaft zum Abschluss des Zuwendungsverzichts zu wecken.
Der Vorteil für den Erben bei einem Zuwendungsverzicht kann mithin darin liegen, dass er vom Erblasser unmittelbar mit Abschluss des Vertrages eine gewisse Geldsumme erhält und nicht erst bis zum Erbfall warten muss, um von dem Vermögen des Erblassers zu profitieren.
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