Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag – Wann kann der Erblasser sein Vermögen noch wirksam verschenken?
- Erblasser kann erbrechtliche Bindung durch lebzeitige Schenkungen umgehen
- Benachteiligte Erben können die Schenkung rückgängig machen
- Die Motivation des Erblassers für die Schenkung ist entscheidend
In Deutschland gilt der Grundsatz der Testierfreiheit.
Das bedeutet, dass der Erblasser bis zu seinem letzten Tag frei entscheiden kann, an wen er sein Vermögen vererben will.
So kann den Erblasser grundsätzlich niemand daran hindern, an seinem letzten Tag auf Erden sein Testament zu ändern, die dort bisher vorgesehenen Erben zu streichen und die Stiftung „leuchte auf“ von Borussia Dortmund als neuen Erben einzusetzen.
Erbvertrag und Ehegattentestament erzeugen Bindungswirkung
Schwieriger kann es für einen Erblasser, der seine Erbfolge neu regeln will, dann werden, wenn er seine Erben in einem gemeinsamen Ehegattentestament oder sogar in einem Erbvertrag eingesetzt hat.
Bei einem gemeinsamen Testament tritt häufig nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehepartners eine Bindungswirkung ein. Der überlebende Ehepartner kann die ehedem gemeinsam mit seinem Partner getroffene Erbfolgeregelung regelmäßig nicht ohne weiteres durch ein neues Testament abändern, § 2271 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).
Das gleiche gilt für einen Erbvertrag. Ein zeitlich späteres Testament, das dem Erbvertrag widerspricht, ist oft unwirksam, § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB.
Erben haben eine halbwegs sichere Rechtsposition
Erben, die in einem gemeinsamen Ehegattentestament oder in einem Erbvertrag benannt sind, können demnach regelmäßig davon ausgehen, dass sie am Ende der Tage tatsächlich eine Erbschaft machen.
Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es aber auch für bindend eingesetzte Erben nicht.
Dies liegt vor allem daran, dass der Erblasser sowohl bei einem bindenden Ehegattentestament als auch beim Erbvertrag jederzeit zu Lebzeiten sein Vermögen verschenken kann.
Schenkungen des Erblassers entwerten die Erbschaft
Der Erblasser kann durch lebzeitige Schenkungen gleichsam dafür sorgen, dass die Rechtsposition des bindend eingesetzten Erben wirtschaftlich entwertet und ausgehöhlt wird.
Es kann demnach durchaus passieren, dass der bindend eingesetzte Erbe von seiner Rechtsstellung nichts hat, weil es im Erbfall nichts mehr zu erben gibt.
Die letzte Rettung für den Erben besteht in solchen Fällen in der Regelung des § 2287 BGB.
Beeinträchtigende Schenkungen können rückgängig gemacht werden
Nach dieser sowohl für den Erbvertrag als auch für das gemeinsame Testament anwendbaren Vorschrift gilt folgendes:
Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks … fordern.
Hat der Erblasser also versucht, durch lebzeitige Schenkungen eine eigentlich bindende Erbfolgeregelung zu unterlaufen, dann kann sich der so benachteiligte Erbe nach dem Erbfall bei dem Beschenkten melden und von diesem die Herausgabe des Geschenks fordern.
Die Absicht des Erblassers entscheidet
Knackpunkt bei einem solchen Anspruch ist das Erfordernis, dass die Schenkung durch den Erblasser in der Absicht erfolgt sein muss, den Erben „zu beeinträchtigen“.
Gerichte prüfen in solchen Fällen, ob der Erblasser ein „lebzeitiges Eigeninteresse“ an der Schenkung hatte.
Fehlte ein solches lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers, muss der Beschenkte das Geschenk an den Erben herausgeben, war ein lebzeitiges Eigeninteresse gegeben, dann darf der Beschenkte das Geschenk behalten und der Erbe geht leer aus.
Ein lebzeitiges Eigeninteresse wird von den Gerichten anerkannt, „wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Schenkung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung billigenswert und gerechtfertigt erscheint.
Dabei seien sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen.
Eine Schenkung ist danach in der Regel nicht gerechtfertigt, wenn der Erblasser allein wegen eines auf Korrektur des Erbvertrages gerichteten Sinneswandels ohne Veränderung der beim Abschluss des Erbvertrages vorhandenen Umstände anstelle der bedachten Person einem anderen wesentliche Vermögenswerte ohne entsprechende Gegenleistung zuwendet, nur weil er ihm genehmer ist (so z.B. OLG OLG Hamm, Urteil vom 29.12.2008, Az. 10 U 30/09).“
Die Umstände des Einzelfalls entscheiden den Streitfall
Es kommt demnach im Streitfall, wie so häufig, auf die Umstände des Einzelfalls an.
Ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an der Schenkung wurde von den Gerichten bereits bejaht, wenn der Erblasser seine Alterssicherung sicherstellen will oder wenn er sich durch die Schenkung mittelbar die zukünftige Betreuung und Pflege durch den Beschenkten sichern will.
Es wurden aber auch Motive, die mehr die Vergangenheit betrafen, so zum Beispiel wenn der Erblasser mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten wollte, von den Gerichten akzeptiert.
Die Beweislast für das Fehlen eines anerkennenswertes Eigeninteresse des Erblassers an der Schenkung trägt im Streitfall jedenfalls der benachteiligte Erbe.
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