Eltern setzen Sohn als Schlusserben ein – Nach dem Tod der Mutter verschenkt der Vater sein Vermögen an die neue Lebensgefährtin!
OLG Hamm – Urteil vom 12.09.2017 – 10 U 75/16
- Eltern setzen ihren Sohn in gemeinsamen Testament als Erben ein
- Nach dem Tod der Mutter verschenkt der Vater sein Vermögen an seine Lebensgefährtin
- Nach dem Tod des Vaters muss die Lebensgefährtin über 250.000 Euro an den Sohn zurückbezahlen
Das Oberlandesgericht Hamm hatte es mit einer nicht untypischen Situation zu tun. Eltern hatten ihren gemeinsamen Sohn in einem Testament als Schlusserben eingesetzt.
Nach dem Tod der Mutter lernte der Vater eine neue Lebensgefährtin kennen und schenkt dieser neuen Lebensgefährtin nach und nach Vermögenswerte in sechsstelliger Höhe.
Sohn fordert Schenkung von der Lebensgefährtin des Vaters
Nach dem Tod des Vaters fordert der Sohn diese Schenkungen von der Lebensgefährtin zurück.
Die Eltern hatten am 18.07.1961 ein gemeinsames notarielles Testament verfasst. In diesem Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein.
Der Überlebende sollte über das Familienvermögen nach dem Tod des zunächst versterbenden Partners – auch von Todes wegen – frei verfügen können.
Sollte der überlebende Ehepartner keinen – weiteren – letzten Willen errichten, so sollte, so die Bestimmungen in dem Testament, der damals 15-jährige Sohn Erbe des überlebenden Ehepartners werden.
Eltern ändern ihr Testament ab
Am 18.10.2000 suchten die Eheleute erneut einen Notar auf und änderten dort ihr Testament aus dem Jahr 1961 teilweise ab.
In diesem Testament verfügten die Eheleute unter anderem wie folgt:
In Abänderung … des Testamentes vom 18.07.1961 bestimmen wir, dass Erbe des Letztlebenden von uns unser Sohn… sein soll.
Die Ehefrau verstarb im Jahr 2005 und wurde von ihrem Mann beerbt. In der Folge lernte der Mann eine neue Lebensgefährtin kennen. Mit dieser neuen Lebensgefährtin unternahm der Mann zahlreiche Reisen.
Weiter übertrug der Mann auch Vermögen (Ansprüche aus einer Vertriebsvereinbarung, Beteiligungen an Immobilienfonds, Schuldverschreibungen, Genussrechte und Lebensversicherungen) im Wert von rund 250.000 Euro auf die neue Lebensgefährtin.
Vater will sein Vermögen entsorgen
Zum Hintergrund dieser Vermögensübertragung auf die neue Lebensgefährtin teilte der Vater folgendes mit:
„…Unter diesen Umständen, die mich hart getroffen und höchst unverständlich gemacht haben, sah ich mich veranlasst, mein noch bestehendes Restvermögen zu entsorgen und einer Vererbung nach meinem Ableben zu entziehen …“
Nach dem Tod des Vaters ging der Sohn auf die neue Lebensgefährtin zu und forderte sie auf, zum Umfang des übertragenen Vermögens Auskunft zu geben und die Vermögenswerte an ihn, den Sohn, herauszugeben.
Der Sohn trug vor, dass ihn als bindend eingesetzten Schlusserben die von seinem Vater vorgenommenen Schenkungen beeinträchtigen würden und die Schenkungen mithin in entsprechender Anwendung des § 2287 Abs.1 BGB an ihn herauszugeben seien.
Nachdem sich der Sohn und die neue Lebensgefährtin seines Vaters nicht einigen konnten, ging die Sache zu Gericht.
Landgericht bestätigt Auskunftsanspruch, weist die Zahlungsklage aber ab
Das Landgericht verurteilte die Lebensgefährtin des Vaters zunächst zur Erteilung von detaillierten Auskünften zu den Schenkungen. Die Auskunft wurde daraufhin erteilt. Der Wert der Schenkungen betrug rund 250.000 Euro.
Der Sohn stellte daraufhin bei Gericht den Antrag, die Lebensgefährtin seines Vaters möge die unrechtmäßig erhaltenen Schenkungen an ihn zurückbezahlen.
Mit diesem Antrag erlebte er vor Gericht aber eine Überraschung. Die Besetzung der für die Sache zuständigen Zivilkammer hatte sich nämlich geändert. Die neuen Landrichter teilten dem Sohn nunmehr mit, dass sie die Sache abweichend beurteilen würden und wiesen die Klage rundweg ab.
Gegen das seine Klage abweisende Urteil legte der Sohn Berufung zum Oberlandesgericht ein.
Dort kassierte man das Urteil erster Instanz und verurteilte die Lebensgefährtin des Vaters zur vollständigen Rückerstattung der erhaltenen Schenkungen an den Sohn.
OLG: Schenkungen beeinträchtigen das Erbrecht des Sohnes
In der Begründung seines Urteils führte das OLG aus, dass der Sohn seinen Rückerstattungsanspruch gegen die Lebensgefährtin seines Vaters auf eine analoge Anwendung des § 2287 Abs. 1 BGB stützen könne.
Der Vater habe vorliegend in Beeinträchtigungsabsicht Schenkungen vorgenommen, die der durch ein gemeinschaftliches Ehegattentestament bindend eingesetzte Schlusserbe nicht habe hinnehmen müssen.
Grundlegend stellte das OLG fest, dass die Schlusserbeneinsetzung des Sohnes in dem gemeinsamen Testament der Eltern aus dem Jahr 2000 wechselbezüglich und damit bindend zu der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute in dem Testament aus dem Jahr 1961 gewesen sei.
Wechselbezügliche Verfügungen müssten von Eheleuten, so das OLG, nicht zwingend gleichzeitig und in einer Urkunde getroffen werden. Sie könnten vielmehr auch nacheinander und in getrennten Urkunden niedergelegt werden.
Verfügungen in getrennten Urkunden können wechselbezüglich sein
Auch der lange Zeitraum von fast 40 Jahren, der zwischen den beiden Testamenten liegt, spreche nach Auffassung des OLG nicht entscheidend gegen die Annahme eines entsprechenden Verknüpfungswillens der Eheleute.
Schließlich, so das OLG weiter, sei die (mit Bindungswirkung versehene) Erbwertwartung des Sohnes auch durch die Schenkungen des Vaters beeinträchtigt worden.
Für die Annahme einer Beeinträchtigungsabsicht im Sinne von § 2287 BGB sei es ausreichend, dass der Erblasser weiß, dass er durch die unentgeltliche Zuwendung das Erbe des bindend eingesetzten Erben schmälert.
Ein die Schenkungen rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse des Vaters sei, so das OLG weiter, von der beklagten Lebensgefährtin schon gar nicht ausreichend dargelegt worden.
Im Ergebnis musste die beklagte Lebensgefährtin an den Sohn und Alleinerben des Erblassers Vermögenswerte in Höhe einer sechsstelligen Summe wieder herausgeben.
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