Erbe muss dem Vermächtnisnehmer gezogene Vorteile herausgeben

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Die Erfüllung des Vermächtnisses dauert in aller Regel einige Zeit
  • Hat der Erbe aus dem Vermächtnis Vorteile gezogen, so muss er sie an den Vermächtnisnehmer herausgeben
  • Erbe kann mit der Erfüllung des Vermächtnisses in Verzug sein

Hat sich der Erblasser in seinem Testament nicht darauf beschränkt, einen Erben als seinen Rechtsnachfolger einzusetzen, sondern hat der Erblasser gleichzeitig zugunsten einer Person ein Vermächtnis ausgesetzt, dann müssen Erbe und Vermächtnisnehmer ihr Verhältnis nach Eintritt des Erbfalls auseinander sortieren.

Unmittelbar nach dem Erbfall erwirbt der Vermächtnisnehmer das Recht, das zu seinen Gunsten ausgesetzte Vermächtnis bei derjenigen Person einzufordern, die mit dem Vermächtnis beschwert wurde, § 2174 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). In aller Regel ist der Erbe derjenige, der mit dem Vermächtnis belastet ist. Dem Erblasser steht es aber frei, beispielsweise auch einen anderen Vermächtnisnehmer mit einem Vermächtnis zu beschweren.

In der Praxis vergeht einige Zeit, bis sich Erbe und Vermächtnisnehmer nach dem Eintritt eines Erbfalls sortiert haben. So sind in aller Regel bereits einige Wochen nach dem Erbfall ins Land gegangen, bis der Vermächtnisnehmer im Zuge der Testamentseröffnung überhaupt erfährt, dass zu seinen Gunsten ein Vermächtnis ausgesetzt wurde.

Erbe profitiert vorübergehend vom Vermächtnisgegenstand

Unmittelbar nach dem Erbfall geht Eigentum und Besitz an dem Vermächtnisgegenstand auf den Erben über. Der Erbe wird Rechtsnachfolger des Erblassers und in dieser Eigenschaft übernimmt er das komplette Vermögen des Erblassers – inklusive des Vermächtnisgegenstandes.

Auf Anforderung des Vermächtnisnehmers hat der Erbe den Vermächtnisgegenstand an den Vermächtnisnehmer herauszugeben. In aller Regel vollzieht sich dieser Vorgang in der Praxis auch absolut geräuschlos und unproblematisch.

Der Vermächtnisnehmer schreibt dem Erben einen freundlichen Brief, erklärt dort, dass er das Vermächtnis annimmt und bittet den Erben ihm die Münzsammlung, das Schmuckstück, das Auto oder was immer der Erblasser ihm als Vermächtnis hinterlassen hat, auszuhändigen. Der Erbe kommt dieser Aufforderung in der Folge nach und beide Parteien können sich wieder anderen Dingen zuwenden.

Es gibt aber auch die Fälle, bei denen die Abwicklung des Vermächtnisses etwas komplizierter ist.

So kommt es vor, dass der Erbe den Vermächtnisgegenstand Wochen oder sogar Monate nach dem Eintritt des Erbfalls immer noch in Besitz hat und ihn für seine Zwecke nutzt.

Profitiert der Erbe in dieser Zeit vom dem Vermächtnisgegenstand und erzielt er aus dem Vermächtnisgegenstand sogar Einnahmen, dann kann sich der Vermächtnisnehmer berechtigterweise die Frage stellen, ob diese vom Erben erzielten Einnahmen nicht tatsächlich ihm, dem Vermächtnisnehmer, gebühren.

Erbe hat erzielte Früchte an den Vermächtnisnehmer herauszugeben

Tatsächlich gibt es eine gesetzliche Norm, die in diesen Fällen für einen Ausgleich zwischen dem Erben und dem Vermächtnisnehmer sorgt.

Nach § 2184 BGB gilt nämlich folgendes:

Ist ein bestimmter zur Erbschaft gehörender Gegenstand vermacht, so hat der Beschwerte dem Vermächtnisnehmer auch die seit dem Anfall des Vermächtnisses gezogenen Früchte sowie das sonst auf Grund des vermachten Rechts Erlangte herauszugeben.

Früchte (§ 99 BGB) im Sinne dieser Vorschrift können zum Beispiel Mieteinnahmen des Erben sein, die er durch die Vermietung der vermächtnisweise übertragenen Eigentumswohnung erzielt hat.

Ist ein Geldbetrag vermacht, so kann man sich darüber streiten, ob die erzielten Zinseinnahmen nach § 2184 BGB dem Vermächtnisnehmer zustehen. Nach dem Wortlaut des § 2184 BGB besteht ein Anspruch des Vermächtnisnehmers nämlich nur wenn ein „bestimmter zur Erbschaft gehörender Gegenstand“ vermacht, also ein so genanntes Stückvermächtnis ausgesetzt wurde. Ein beliebiger Geldbetrag fällt grundsätzlich nicht unter diese Vorschrift.

Hingegen ist ein geschuldeter Geldbetrag jedenfalls dann vom Erben zu verzinsen, wenn er sich mit der Bezahlung der Summe in Verzug befindet, also beispielsweise vom Vermächtnisnehmer nach dem Erbfall gemahnt wurde.

Soweit der Erbe aber durch den Vermächtnisgegenstand aber überhaupt keine Vorteile erzielt hat, so muss er dem Vermächtnisnehmer auch nichts herausgeben. § 2184 BGB begründet auch keine Pflicht des Erben zur Fruchtziehung. Lässt der Erbe den Vermächtnisgegenstand einfach ungenutzt liegen, macht er sich grundsätzlich nicht wegen unterlassener Fruchtziehung schadensersatzpflichtig.

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