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Stellung als Vermächtnisnehmer oder Erbe - Was ist vorzugswürdig?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Erbe wird Rechtsnachfolger des Erblassers und erbt (auch) die Schulden
  • Erbe muss sich um die Nachlassabwicklung kümmern
  • Vermächtnisnehmer hatt nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erfüllung seines Vermächtnisses

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Stellung als „Erbe“ der eines „Vermächtnisnehmers“ wohl immer der Vorzug gegeben. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass man sich von einer „Erbschaft“ größere materielle Wohltaten verspricht, als dies bei einem „Vermächtnis“ der Fall ist.

Aus rechtlicher Sicht ist diese Einschätzung nicht gerechtfertigt. Tatsächlich kann der Erblasser in seinem Testament einer Person durch die Anordnung eines Vermächtnisses sein ganzes Vermögen überlassen. Ein solches so genanntes Universalvermächtnis ist zwar im Gesetz nicht vorgesehen, wird jedoch von den Gerichten ausdrücklich als zulässig angesehen.

Wichtig ist, dass bei einem solchen Universalvermächtnis der Bedachte ausdrücklich als Vermächtnisnehmer bezeichnet wird. Anderenfalls würde die gesetzliche Vermutungsregel in § 2087 BGB eingreifen, wonach eine Verfügung als Erbeinsetzung anzusehen ist, wenn der Erblasser sein Vermögen als Ganzes einem Bedachten zugewendet hat.

Welchen Sinn kann ein Universalvermächtnis haben?

Sinn würde ein solches Universalvermächtnis beispielsweise dann machen, wenn man die Auswahl des Bedachten nicht selber vornehmen will, sondern eine dritte Person damit beauftragt, den Universalvermächtnisnehmer zu benennen, § 2151 BGB. Eine solche Konstruktion wird von der herrschenden Meinung für zulässig erachtet. Eine Benennung eines Vermächtnisnehmers durch einen Dritten ist also zulässig, die Benennung eines Erben durch einen Dritten hingegen nicht. Die Benennung eines Erben darf der Erblasser nicht einem Dritten überlassen, § 2065 Abs. 2 BGB.

In wirtschaftlicher Hinsicht muss ein Vermächtnis also nicht zwangsläufig geringwertiger sein, als eine Erbschaft.

Hinsichtlich seiner Rechtsstellung ist der Vermächtnisnehmer gegenüber dem Erben zunächst einmal im Nachteil. Der Erbe erwirbt mit dem Tod des Erblassers kraft Gesetz das Eigentum an sämtlichen zum Nachlass gehörenden Sachen und Forderungen. Der Vermächtnisnehmer hingegen hat gegen den mit dem Vermächtnis Beschwerten (Erben oder anderen Vermächtnisnehmer) lediglich einen so genannten schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung des durch Vermächtnis vermachten Gegenstandes.

Kommt der Erbe diesem Forderungsrecht nicht freiwillig nach, bleibt dem Vermächtnisnehmer nichts anderes übrig, als sein bestehendes Recht mit Hilfe von Anwalt und Gericht durchzusetzen.

Pflichtteil kann das Vermächtnis tangieren

Kritisch wird es für den Vermächtnisnehmer, wenn Schulden des Erblassers und insbesondere Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten die Realisierung seines Anspruchs gefährden. So kann der Erbe nämlich gemäß § 2318 BGB die Erfüllung eines Vermächtnisses soweit verweigern, als der vom Erben an einen Dritten zu zahlende Pflichtteil vom Erben und dem Vermächtnisnehmer anteilsmäßig getragen wird.

Hier kann es also zu einer, kraft Gesetz zulässigen, Kürzung des Vermächtnisanspruchs kommen, wenn der Erbe Pflichtteilsansprüche zu regulieren hat. Freilich hat es auch hier der Erblasser in der Hand, durch entsprechende Anordnungen im Testament oder Erbvertrag für eine andere Aufteilung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer zu sorgen, § 2324 BGB.

Freilich kann ein Vermächtnisnehmer im Vergleich zum Erben in rechtlicher Hinsicht durchaus auch Punkte auf der Habenseite verbuchen. So muss sich ein Vermächtnisnehmer nie mit Haftungsfragen in Bezug auf Schulden des Erblassers und so genannte Nachlassverbindlichkeiten auseinander setzen. Die einzige Sorge des Vermächtnisnehmers ist, ob der mit dem Vermächtnis belastete Erbe wirtschaftlich in der Lage und rechtlich gewillt ist, den Vermächtnisanspruch zu erfüllen.

Vermächtnisnehmer haftet nicht für Nachlassverbindlichkeiten

Der Vermächtnisnehmer kann nie in eine Situation kommen, für Nachlassverbindlichkeiten mit dem eigenen Vermögen haften zu müssen. Diese Aufgabe übernimmt alleine der Erbe, § 1967 Abs. 1 BGB.

Und ebenso wenig muss sich der Vermächtnisnehmer mit einer zuweilen nervenaufreibenden Auseinandersetzung unter diversen Miterben beschäftigen. Der Anspruch des Vermächtnisnehmers beschränkt sich auf ein Forderungsrecht gegen den oder die Erben. Mit Fragen rund um die Feststellung und Bewertung des Nachlasses, Maßnahmen zur Nachlasssicherung oder zur Nachlassverwaltung und schließlich mit Problemen rund um die Aufteilung des Nachlasses hat der Vermächtnisnehmer nichts zu tun.

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