Behandelnder Arzt hat bei Ermittlung zur Testierfähigkeit des Erblassers in der Regel kein Zeugnisverweigerungsrecht
OLG Köln – Beschluss vom 15.05.2018 – 2 Wx 202/18
- Patient entscheidet über die Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht
- Erben und Familienangehörige können den Arzt nicht entbinden
- Im Zweifel muss der mutmaßliche Wille des Patienten erforscht werden
Das Oberlandesgericht Köln musste in einer Erbscheinsangelegenheit darüber urteilen, unter welchen Umständen ein Arzt, der den Erblasser zu Lebzeiten behandelt hatte, vor Gericht als Zeuge über die Testierfähigkeit des Erblassers aussagen muss.
In erbrechtlicher Hinsicht war das Verfahren vor dem OLG bereits erledigt. Die Parteien hatten vor dem Nachlassgericht einen Vergleich geschlossen und der Erbscheinsantrag war zurückgenommen worden.
Der Arzt, der im Verfahren als Zeuge für die Testierfähigkeit geladen worden war, hatte jedoch eingewandt, dass er aufgrund seiner ärztlichen Schweigepflicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt sei.
Hiergegen hatte das Nachlassgericht jedoch entschieden, dass der Arzt sich gerade nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen könne.
Arzt legt Beschwerde ein
Gegen diese Entscheidung hatte der Arzt Beschwerde eingelegt. Der angefochtene Beschluss des Nachlassgerichts war zwar wegen Erledigung der Hauptsache gegenstandslos geworden.
Das OLG hatte aber noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden und nutze dies, um zum Bestehen oder Nichtbestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts einige grundlegende Gesichtspunkte festzuhalten.
Grundsätzlich reiche, so das OLG in seiner Entscheidung, die ärztliche Schweigepflicht auch über den Tod des betroffenen Patienten hinaus.
Habe der Patient den Arzt zu Lebzeiten von seiner Schweigepflicht nicht entbunden, so könne dies nach dem Eintritt des Erbfalls weder der Erbe des Erblassers noch dessen Angehörige stellvertretend für den Erblasser machen.
Der Wille des Patienten ist entscheidend
Entscheidend sei immer der Wille des verstorbenen Patienten. Soweit dieser Wille nicht ausdrücklich oder auch konkludent vom verstorbenen Patienten geäußert worden ist, sei vom Gericht im Bedarfsfall der mutmaßliche Wille des verstorbenen Patienten zu erforschen.
Soweit man danach davon ausgehen muss, dass der Patient nach seinem Tod auf eine weitere Geheimhaltung seiner Patientendaten keinen Wert legt, dann würde auch dem behandelnden Arzt kein Zeugnisverweigerungsrecht zustehen.
Der betroffene Arzt müsse anhand der ihm bekannten Umstände auf den mutmaßlichen Willen des Patienten schließen und dann eine dementsprechende Entscheidung treffen.
Testierfähigkeit zu klären entsprach dem Willen des Erblassers
Im zu entscheidenden Fall hatte das OLG keine Zweifel daran, dass die Klärung der Frage der Testierfähigkeit im Interesse des Erblassers gewesen und dem Arzt entsprechend kein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden wäre.
Soweit der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig gewesen ist, so entspreche es dem mutmaßlichen Willen des Erblassers, dass die Wirksamkeit des Testaments – notfalls auch mit Hilfe des als Zeugen benannten Arztes – festgestellt wird.
War der Erblasser hingegen bei Testamentserrichtung nicht mehr testierfähig, dann konnte der Erblasser im entscheidenden Zeitpunkt nicht mehr verstehen, welchen Inhalt und welche Auswirkungen sein Testament hat.
In diesem Fall entsprach das Testament gerade nicht mehr dem freien Willen des Erblassers. Auch an der Klärung dieses Umstandes habe der Erblasser, so das OLG, ein entsprechendes Interesse.
Mit dieser Begründung musste der Arzt im Ergebnis die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen.
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