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Wie sicher muss sich ein Gericht sein, dass ein Testament tatsächlich vom Erblasser stammt?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Rostock – Beschluss vom 31.08.2020 – 3 W 84/19

  • Ehemann beantragt nach dem Tod seiner Frau auf Grundlage eines gemeinsamen Testaments einen Erbschein
  • Tochter der Erblasserin wendet ein, dass das Testament gefälscht ist
  • Sachverständigengutachten entscheidet den Rechtsstreit

Das Oberlandesgericht Rostock hatte darüber zu entscheiden, ob eine Unterschrift unter einem Testament echt oder gefälscht war.

In der Angelegenheit hatte ein Ehemann nach dem Tod seiner Ehefrau bei dem Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe beantragt.

Grundlage für diesen Erbscheinsantrag war ein von dem Ehemann vorgelegtes gemeinsames Testament, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt hatten.

Erblasserin verfasst und unterschreibt das gemeinsame Testament

Das Testament war augenscheinlich von der Erblasserin verfasst und gemeinsam mit ihrem Ehemann unterschrieben worden.

Eine Tochter der Erblasserin aus erster Ehe widersprach diesem Erbscheinsantrag.

Die Tochter der Erblasserin teilte dem Nachlassgericht mit, dass die unter dem gemeinsamen Testament befindliche Unterschrift nicht von ihrer Mutter stammen würde.

Das Nachlassgericht holte daraufhin ein Sachverständigengutachten über die Frage ein, ob das Testament von der Erblasserin selbst aufgesetzt und unterschrieben worden sei.

Gutachterin erhält Vergleichsschriftstücke der Erblasserin

Der Sachverständigen wurden für ihre Untersuchung Vergleichshandschriften der Erblasserin zur Verfügung gestellt.

Die Schriftsachverständige kam nach Abschluss ihrer Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass „der Testamentstext mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % bis 99 % und die Testamentsunterschrift mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % bis 95 % von der Erblasserin stammen“ würde.

Dem Nachlassgericht reichten diese Wahrscheinlichkeiten aus und es kündigte an, den von dem Ehemann beantragten Erbschein als alleiniger Erbe erteilen zu wollen.

Tochter der Erblasserin legt Beschwerde ein

Gegen diese Entscheidung legte die Tochter der Erblasserin Beschwerde ein.

Die Tochter der Erblasserin hielt das Gutachten nicht für überzeugend. Ihrer Auffassung nach dränge sich vielmehr der Eindruck auf, dass der Testamentstext weder von der Erblasserin noch von dem Ehemann, sondern von einer dritten Person gefertigt worden sei. 

Die Tochter monierte insbesondere, dass es der Gutachterin offenbar unbekannt gewesen sei, dass die Erblasserin unter einer so genannten Retinopathie (Schädigung der Netzhaut) gelitten habe und diese Erkrankung Auswirkung auf das Schriftbild der Erblasserin gehabt habe.

Ein Zweitgutachter soll die Ergebnisse überprüfen

Die Tochter beantragte, einen Zweitgutachter mit der Angelegenheit zu betrauen.

Das Nachlassgericht konfrontierte daraufhin die Sachverständige mit den Einwendungen der Tochter der Erblasserin.

Die Sachverständige sah aber in einem von ihr erstellten Ergänzungsgutachten keine Veranlassung, von ihrer in dem vorgelegten Gutachten geäußerten Ansicht abzuweichen.

Gestützt auf diese Aussagen der Sachverständigen verblieb auch das Nachlassgericht bei seiner Einschätzung der Rechtslage und legte die Angelegenheit dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.

OLG weist die Beschwerde als unbegründet zurück

In einem ausführlich begründeten Beschluss wies das OLG die Beschwerde als unbegründet ab.

Aufgrund des in erster Instanz eingeholten Gutachtens war auch für das OLG erwiesen, dass das gemeinsame Testament von der Erblasserin persönlich verfasst und unterschrieben worden war.

Das OLG wies dabei darauf hin, dass eine absolute Gewissheit bei der Frage der Echtheit eines Testaments nie zu erreichen sei.

Wie sicher muss sich ein Gericht sein?

Für ein Gericht reiche in Frage der Echtheit eines Testaments aber  

„ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt.“

Der Sachverständigen standen für ihre Untersuchungen, so das OLG, zahlreiche Vergleichsschriftstücke zur Verfügung mit denen sich die Gutachterin auch intensiv auseinander gesetzt habe.

Mit nachvollziehbarer Begründung habe die Sachverständige eine Unterschriftenfälschung als unrealistisch ausgeschlossen.

Charakteristische Eigentümlichkeiten der Handschrift würden weitgehend mit den Vergleichsschriften übereinstimmen.

Kein Grund für ein Zweitgutachten

Die von der Tochter der Erblasserin eingewandte Netzhauterkrankung der Erblasserin würde, so das OLG weiter, ebenfalls nicht zu einer abweichenden Bewertung führen.

Veranlassung für ein zweites Gutachten sah das OLG ebenso wenig wie es Zweifel an der Kompetenz der Gutachterin hatte.

Im Ergebnis richtete sich die Erbfolge nach dem gemeinsamen Testament, das die Erblasserin mit ihrem Ehemann errichtet hatte.

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