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Die Tochter und die Schwester der Erblasserin streiten sich über die Auslegung eines Testaments – Die Tochter gewinnt!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Brandenburg – Beschluss vom 14.05.2019 – 3 W 29/19

  • Ehegatten verfassen ein unklares Testament
  • Nach dem Tod des Ehemannes verfasst die Ehefrau ein neues Testament und ändert die Erbfolge
  • Nach dem Tod der Ehefrau streiten sich die Tochter des Ehepaares mit der Schwester der Erblasserin über das Erbrecht

Das OLG Brandenburg hatte in einem Erbscheinverfahren über ein unklar formuliertes Ehegattentestament zu entscheiden.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar am 16.11.2001 ein gemeinsames Testament errichtet.

Die Eheleute setzten sich in diesem Testament für den ersten Erbfall zunächst gegenseitig als alleinige Erben ein.

Testament enthält eine unklare Erbfolgeregelung

Weiter enthielt das Testament folgende Regelung, über die in dem gerichtlichen Verfahren ausgiebig gestritten wurde:

„Sterben beide Partner unserer Ehe, so geht der gesamte Besitz unserer Ehe in die gesetzliche Erbfolge über. Haupterbin ist dabei unsere Tochter M.“

Weiter enthielt das Testament eine so genannte Pflichtteilsstrafklausel.

Der Ehemann verstarb im Jahr 2011.

Ehefrau errichtet ein neues Testament

Im Jahr 2016 errichtete die Ehefrau ein weiteres Testament. In diesem Testament widerrief die Ehefrau das gemeinsame Testament aus dem Jahr 2001 und setzte nunmehr ihre Schwester als alleinige Erbin ein.

Nach dem Ableben der Erblasserin kam es zwischen der Tochter und der Schwester der Erblasserin zum Streit. Beide reklamierten das Erbrecht für sich.

Die Tochter verwies auf das gemeinsame Testament ihrer Eltern, in dem sie als Haupterbin bezeichnet war. Dieses Testament sei auch bindend und konnte, so der Vortrag der Tochter, nicht durch das zeitlich spätere Testament abgeändert werden.

Schwester der Erblasserin baut auf das zeitlich spätere Testament

Die  Schwester der Erblasserin verwies hingegen darauf, dass das gemeinsame Ehegattentestament aus dem Jahr 2001 überhaupt keine Schlusserbeneinsetzung, sondern lediglich eine Regelung für den Fall des gleichzeitigen oder kurz aufeinanderfolgenden Versterbens der Eheleute enthalte.

Das Nachlassgericht favorisierte die Sichtweise der Schwester der Erblasserin und kündigte an, zugunsten der Schwester einen Erbschein erlassen zu wollen.

Gegen diese Entscheidung legte die Tochter der Erblasserin Beschwerde zum OLG ein.

OLG hebt das Nachlassgericht auf

Und tatsächlich bewertete das OLG die Angelegenheit gänzlich abweichend vom Nachlassgericht und hob die Entscheidung des Ausgangsgerichts auf.

Das OLG sah in der Formulierung der Eheleute in ihrem Testament aus dem Jahr 2001 eine Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Tochter nach dem Tod beider Ehepartner.

Insbesondere konnte das OLG im Gegensatz zur Schwester der Erblasserin dem Testament aus dem Jahr 2001 nicht entnehmen, dass die Tochter nur für den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Eheleute als Schlusserbin eingesetzt worden war.

Pflichtteilsklausel im Testament gibt Hinweis auf die gewünschte Erbfolge

Mit Recht wies das OLG in diesem Zusammenhang darauf hin, dass diese Rechtsauffassung der Schwester der Erblasserin in Anbetracht der in dem Testament vorhandenen Pflichtteilsstrafklausel wenig Sinn ergeben würde.

Mündliche Äußerungen der Erblasserin, die von der Schwester behauptet wurden und eine Erbenstellung der Schwester begründen sollten, wertete das OLG als nicht relevant, da ohnehin formunwirksam und für die Auslegung des Testaments aus dem Jahr 2001 nicht relevant.

Nachdem die Erbeinsetzung der Tochter in dem Testament aus dem Jahr 2001 wechselbezüglich und damit bindend war, konnte die Erblasserin an dieser Entscheidung, so das OLG, durch ein späteres Testament auch nichts mehr ändern.

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