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Eheleute setzen in ihrem Testament Schlusserben für den Fall des „gleichzeitigen Ablebens“ ein – Was bedeutet diese Formulierung?

Von: Dr. Georg Weißenfels

BGH – Beschluss vom 19.06.2019 – IV ZB 30/18

  • Eheleute bestimmen in ihrem Testament Erben für den Fall ihres gleichzeitigen Ablebens
  • Eheleute versterben aber nicht gleichzeitig, sondern im Abstand mehrerer Monate
  • Gesetzliche Erbin der Erblasserin reklamiert das Erbrecht für sich alleine

Der Bundesgerichtshof hatte in dritter Instanz über ein Testament zu entscheiden, in dem Eheleute ihre Neffen und Nichten für den Fall des „gleichzeitigen Ablebens“ als Schlusserben eingesetzt hatten.

In der Angelegenheit war die Erblasserin am 05.07.2016. Der Ehemann der Erblasserin war am 10.03.2015 vorverstorben.

Das Ehepaar hatte am 01.12.2002 ein gemeinsames Testament verfasst, In diesem Testament hatten sich die Eheleute wechselseitig als Alleinerben eingesetzt.

Die Eheleute ergänzen ihr Testament

Fast zehn Jahre nach Errichtung ihres Testaments fügten die Eheleute ihrem letzten Willen folgende weitere Regelung hinzu:

"Für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens ergänzen wir unser Testament wie folgt:

Das Erbteil soll gleichmäßig unter unseren Neffen bzw. Nichte [es folgen die Namen von vier Personen] aufgeteilt werden."

Bei den im Testament benannten Personen handelte es sich um Neffen und Nichten des vorverstorbenen Ehemannes.

Nach dem Tod der Erblasserin wird ein Erbschein beantragt

Nach dem Ableben der Erblasserin beantragte einer der in dem Testament benannten Neffen des Ehemannes beim Nachlassgericht einen Erbschein, wonach die Erblasserin von den Neffen bzw. der Nichte des Ehemannes zu je ¼ beerbt worden sei.

Der beantragte Erbschein wurde in der Folge auch erteilt.

Daraufhin regte eine Cousine der Erblasserin aber gegenüber dem Nachlassgericht an, dass der erteilte Erbschein als unrichtig wieder eingezogen werden sollte.

Testament enthält keine Schlusserbeneinsetzung

Die Cousine der Erblasserin begründete diesen Antrag mit dem Argument, dass das Testament der Eheleute gar keine Schlusserbeneinsetzung der Neffen und der Nichte des Ehemannes , sondern lediglich eine Erbfolgeregelung für den Fall des gleichzeitigen Ablebens enthalten würde.

Nachdem die Eheleute aber nicht gleichzeitig verstorben seien, sei der erteilte Erbschein unrichtig und einzuziehen.

Erbschein wird vom Nachlassgericht eingezogen

Im September 2017 wurde der Erbschein daraufhin, wie beantragt, vom Nachlassgericht als unrichtig eingezogen.

Die gegen diese Einziehungsentscheidung gerichtete Beschwerde der Neffen und Nichten wurde sowohl vom OLG Frankfurt als Beschwerdegericht zurückgewiesen.

Gegen die Entscheidung des OLG Frankfurt richtete sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Betroffenen zum Bundesgerichtshof.

Rechtsbeschwerde zum BGH scheitert

Die Rechtsbeschwerde hatte aber beim BGH ebenfalls keinen Erfolg.

In der Begründung seiner Entscheidung teilte der BGH mit, dass das OLG Frankfurt zu Recht entschieden hätte, dass die Neffen und die Nichte des Ehemannes nicht Erben der Erblasserin geworden seien.  

Eine Erbeinsetzung in einem gemeinsamen Testament, die eine Regelung für den Fall des gleichzeitigen Ablebens der Eheleute enthalte, sei keine taugliche Grundlage für den Fall, in dem die Eheleute mit erheblichem zeitlichen Abstand zueinander versterben.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz könne nur angenommen werden, wenn anzunehmen sei, dass die Eheleute die Erbfolgeregelung auch für den Fall gewünscht hätten, dass sie mit erheblichem zeitlichen Abstand zueinander versterben.

Der Wille der Eheleute wurde im Testament nicht angedeutet

Das OLG Frankfurt hatte in der Beschwerdeinstanz sogar im Sinne der Beschwerdeführer unterstellt, dass unterstellt werden könne, dass die Eheleute den Willen hatten, die Erbfolgeregelung im Sinne der Beschwerdeführer zu treffen. Eine entsprechende Annahme wurde offenbar durch Äußerungen des Ehepaares gestützt.

Trotzdem konnte das Testament aber nicht zu der von den Beschwerdeführern gewünschte Erbfolgeregelung führen, da dieser Wille der Eheleute jedenfalls nicht formgerecht erklärt wurde und im Testament auch nach Auffassung der Gerichte nicht einmal andeutungsweise enthalten war.

Ein im Testament aber nicht einmal angedeuteter Wille des Erblassers sei, so der BGH, formnichtig und unbeachtlich.

Die entsprechende Wertung des Beschwerdegerichts, wonach es an einer Andeutung des Willens der Erblasser in dem Testament fehle, wurde vom BGH akzeptiert.

Die Erbfolge nach der Erblasserin richtete sich daher mangels Regelung im Testament alleine nach dem Gesetz. Alleinige Erbin wurde die Cousine der Erblasserin.

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