Nachlassgericht muss ein Testament in jedem Fall eröffnen!
OLG München – Beschluss vom 03.11.2021 – 31 Wx 166/21, 31 Wx 179/21
- Nachlassgericht hält Testament nach einem Erbfall für irrelevant
- Nachlassgericht verweigert die Eröffnung des Testaments
- Oberlandesgericht: Jedes Testament ist zu eröffnen
Das Oberlandesgericht München hatte zu klären, ob sich ein Nachlassgericht weigern kann, ein ihm vorliegendes Testament zu eröffnen.
In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar am 18.05.1982 ein gemeinschaftliches Testament errichtet.
Dieses Testament enthielt komplexe erbrechtliche Regelungen.
Gemeinsames Testament enthält umfangreiche Anordnungen
So setzten sich die beiden Eheleute in dem Testament gegenseitig als Vorerben, ihre Kinder als Nacherben ein.
Weiter enthielt das Testament unter anderem eine so genannte Pflichtteilsklausel, mit dem die Kinder für den ersten Erbfall davon abgehalten werden sollten, ihren Pflichtteil zu fordern.
In der Folge verstarb die Ehefrau und das gemeinsame Testament der Eheleute aus dem Jahr 1982 wurde daraufhin vom Nachlassgericht auch anstandslos eröffnet.
Dann verstarb im Jahr 2020 der Ehemann.
Nachlassgericht soll das Testament eröffnen
Nach dem Tod ihres Vaters beantragten die Kinder gegenüber dem Nachlassgericht, dass dieses das gemeinsame Testament der Eltern aus dem Jahr 1982 abermals eröffnet werden möge.
Diesen Antrag lehnte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 21.12.2020 erstaunlicherweise ab.
Zur Begründung seines Beschlusses ließ das Nachlassgericht die Beteiligten wissen, dass das gemeinsame Testament aus dem Jahr 1982 ausschließlich Regelungen zur Vor- und Nacherbfolge enthalte und keine Relevanz für die Erbfolge nach dem Erblasser mehr habe.
Beschwerde zum Oberlandesgericht wird eingelegt
Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts wurde von den Kindern des Erblassers Beschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt.
Das OLG gab der Beschwerde auch statt und hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf.
In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass das Verfahren zur Testamentseröffnung nicht der richtige Ort sei, um über die Relevanz eines Testaments über die Erbfolge zu entscheiden.
Auch ein zweites Testament steht der beantragten Testamentseröffnung nicht entgegen
Obwohl der Erblasser nach dem Tod seiner Ehefrau ein weiteres Testament errichtet hatte, könnten sich, so das OLG, selbstverständlich auch aus dem gemeinsamen Testament aus dem Jahr 1982 Konsequenzen für die Erbfolge des Erblassers ergeben.
Im Testamentseröffnungsverfahren habe das Nachlassgericht aber nicht über solche – zum Teil schwierige – Fragen zu entscheiden.
Vielmehr müsse sich das Nachlassgericht erst im Erbscheinverfahren vertiefte Gedanken zu den konkreten Auswirkungen einer letztwilligen Verfügung auf die Erbfolge machen.
Im Eröffnungsverfahren sei hingegen jedes Schriftstück vom Nachlassgericht zu eröffnen, „bei dem auch nur die entfernte Möglichkeit besteht, dass es eine letztwillige Verfügung des Erblassers sein könnte.“
Nachdem der Erblasser aber in dem gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahr 1982 auch Anordnungen für seine eigene Erbfolge getroffen hatte, war demnach dieses Testament nach seinem Tod vom Nachlassgericht auch zu eröffnen.
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