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Im Zweifel muss auch die Kopie eines Testaments vom Nachlassgericht eröffnet werden!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 07.04.2021 – 31 Wx 108/21

  • Eheleute errichten ein gemeinsames Testament
  • Teile des Testaments liegen nur in Kopie vor
  • Nach dem Tod des Ehemannes will die Ehefrau die Eröffnung des Testaments verhindern

Das Oberlandesgericht München hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, in welchem Umfang ein Testament vom Gericht zu eröffnen ist.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar ein gemeinsames Testament errichtet.

In diesem Testament hatten sich die Eheleute für den ersten Erbfall wechselseitig als alleinige Erben eingesetzt.

Kinder werden in dem Testament als Schlusserben eingesetzt

Die gemeinsamen Kinder der Eheleute sollten nach dem Inhalt des Testaments nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehepartners Schlusserben werden.

Zu diesem Testament errichteten die Eheleute am 24.03.2011 und am 23.11.2016 jeweils einen formwirksamen Nachtrag.

Der zweite Nachtrag zu dem Testament aus dem Jahr 2016 lag allerdings nicht mehr im Original, sondern nur noch als Kopie vor.

Nachlassgericht kündigt Testamentseröffnung an

Nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehemannes kündigte das zuständige Nachlassgericht Augsburg an, dass es das gemeinsame Testament mitsamt den beiden Nachträgen eröffnen und damit auch den Kindern der Eheleute zur Kenntnis geben wollte.

Dies missfiel aber offenbar der überlebenden Ehefrau.

Sie protestierte beim Nachlassgericht gegen die Testamentseröffnung.

Ehefrau verweist auf Geheimhaltungsinteresse

Die Ehefrau machte geltend, dass die Kinder von den in dem Testament enthaltenen Regeln aktuell nicht betroffen seien und es vollkommen ausreichend sei, wenn die Kinder erst nach dem Tod des zweiten Ehepartners von dem Inhalt des Testaments Kenntnis erhielten.

Der vom Nachlassgericht angekündigten Testamentseröffnung stehe jedenfalls, so die Argumentation der Ehefrau, ein Geheimhaltungsinteresse der Eheleute entgegen.

Das Nachlassgericht wollte aber an seiner Entscheidung, das Testament der Eheleute mitsamt Nachträgen zu eröffnen, festhalten und legte die Beschwerde der Ehefrau dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.

OLG weist Beschwerde der Ehefrau ab

Das OLG wies die Beschwerde der Ehefrau als unbegründet ab.

In seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass das Nachlassgericht das Testament nach dem Tod des Familienvaters mit Recht auch den Kindern der Eheleute zur Kenntnis geben wollte.

Dabei sei es unerheblich, so das OLG, dass der zweite Nachtrag zu dem Testament nur in Kopie vorliegen würde.

Grundsätzlich sei zwar stets das Original eines Testaments zu eröffnen.

Auch eine Kopie eines Testaments kann über die Erbfolge entscheiden

Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Erbfolge auch aus einer nur in Kopie vorliegenden Urkunde ergebe. In einem solchen Fall müsse dann eben auch die Kopie eines Testaments vom Nachlassgericht eröffnet werden.

Weiter führte das OLG aus, dass nach § 348 Abs. 2 FamFG das Nachlassgericht allen Beteiligten den sie betreffenden Inhalt eines Testaments bekannt geben müsse.

Die Kinder des Ehepaares seien dabei in jedem Fall Beteiligte im Sinne von § 348 Abs. 2 FamFG und müssten dementsprechend auch über den Inhalt des Testaments ihrer Eltern informiert werden.

Nur trennbare Verfügungen in einem gemeinsamen Testament müssen nicht eröffnet werden

Es sei grundsätzlich auch das gesamte Testament vom Gericht zu eröffnen.

Nach § 349 Abs. 1 FamFG könne man bei gemeinschaftlichen Testamenten von diesem Grundsatz lediglich dann eine Ausnahme machen, wenn die Verfügungen der Eheleute in dem gemeinsamen Testament voneinander getrennt werden können.

Im zu entscheidenden Fall schloss das OLG eine solche Trennbarkeit der in dem Testament enthaltenen Verfügungen der Eheleute ausdrücklich aus.

Aus diesem Grund war auch nicht zu beanstanden, dass das Nachlassgericht im Rahmen der Testamentseröffnung die Kinder der Eheleute von dem kompletten Inhalt des Testamentes informierte.

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