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Der Erblasser übergeht in seinem Testament unbeabsichtigt einen Pflichtteilsberechtigten – Das Testament kann angefochten werden!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Wurde ein Pflichtteilsberechtigter im Testament unabsichtlich übergangen?
  • Testament kann unter Umständen angefochten und unwirksam gemacht werden
  • Eine Anfechtung ist nur binnen Jahresfrist möglich

Manchmal sorgt der Inhalt eines Testaments nach einem Erbfall bei einigen Beteiligten für erhebliche Verwunderung.

Dies passiert vor allem in den Fällen, bei denen nächste Angehörige in dem Testament nicht erwähnt und damit grundsätzlich von der Erbfolge ausgeschlossen wurden.

Hat der Erblasser beispielsweise zwei seiner drei Kinder in seinem Testament als Erben eingesetzt und weder das dritte Kind noch seine zweite Ehefrau in seinem letzten Willen erwähnt, dann ist diese Erbfolgeregelung zunächst einmal von allen Familienmitgliedern zu respektieren.

Jeder kann seine Erbfolge frei bestimmen

In Deutschland gilt die Testierfreiheit und damit ist jedermann berechtigt, seine Erbfolge so zu gestalten, wie er es für richtig erachtet.

Berechtigte Zweifel können aber entstehen, wenn das Testament, das der Erblasser seiner Nachwelt hinterlassen hat, bereits zu einem Zeitpunkt verfasst wurde, zu dem noch gar nicht alle Kinder des Erblassers geboren waren bzw. zu dem der Erblasser mit seiner Ehefrau noch gar nicht verheiratet war.

In diesen Fällen stellt sich nämlich die Frage, ob dieses Testament, das nächste Angehörige nicht berücksichtigt, tatsächlich den wirklichen Willen des Erblassers wiedergibt oder ob das Testament nicht insgesamt auf einem Irrtum beruht.

Mögliche Anfechtung eines Testaments

Um hier zu einer gerechten Lösung zu kommen, eröffnet das Gesetz einem pflichtteilsberechtigten nahen Angehörigen des Erblassers (wie z.B. einem Kind oder auch einem Ehepartner) unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, das Testament anzufechten und auf diesem Weg zur Geltung der gesetzlichen Erbfolge (oder zur Geltung eines anderen Testaments) zu gelangen.

Nach § 2079 S. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) gilt nämlich folgendes:

Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung der Verfügung nicht bekannt war oder der erst nach der Errichtung geboren oder pflichtteilsberechtigt geworden ist. 

Immer dann, wenn ein Pflichtteilsberechtigter also vom Erblasser in dessen Testament alleine deswegen nicht erwähnt wird, weil der Erblasser den Betroffenen im Zeitpunkt der Errichtung seines Testaments als möglichen Erben noch gar nicht auf dem Radar hatte, steht eine Testamentsanfechtung nach § 2079 BGB im Raum.

Fallgruppen für eine Anfechtung nach § 2079 BGB

Klassischerweise handelt es sich hierbei um folgende Konstellationen:

  • Erblasser verfasst sein Testament in Unkenntnis der Tatsache, dass er Vater eines Kindes ist.
  • Erblasser verfasst sein Testament und wird zeitlich später Vater (oder Mutter) eines Kindes.
  • Erblasser verfasst sein Testament und heiratet zeitlich später.

Dabei gilt in diesen Fällen immer die Einschränkung aus § 2079 S. 2 BGB:

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, soweit anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die Verfügung getroffen haben würde.

Wenn der Erblasser also seine Erbfolgeregelung in voller Kenntnis der Tatsache getroffen hat, dass es da noch ein Kind oder eine Ehefrau gibt und der Erblasser diese Personen explizit nicht an seinem Nachlass beteiligen will, dann ist diese Entscheidung hinzunehmen und es ist keine Anfechtung des Testaments möglich.

Wann ist ein Pflichtteilsberechtigter übergangen?

Zu prüfen ist bei einer Testamentsanfechtung nach § 2079 BGB auch immer, ob der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser in seinem Testament tatsächlich „übergangen“ wurde.

Nach der herrschenden Rechtsprechung soll das immer dann der Fall sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte in dem Testament nicht ausdrücklich enterbt, nicht als Erbe eingesetzt und auch nicht mit einem Vermächtnis bedacht wurde.

Eine Anfechtung eines Testaments nach § 2079 BGB kann nur binnen einer Frist von einem Jahr erklärt werden, § 2082 BGB.

Diese Einjahresfrist beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. 

In aller Regel wird der entscheidende Zeitpunkt für den Beginn der Frist damit die Testamentseröffnung sein, wenn der betroffene Pflichtteilsberechtigte erfährt, dass er vom Erblasser unbeabsichtigt übergangen wurde.

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