Erblasserin hinterlässt zwei Testamente – Welches Testament bestimmt den Erben?
OLG Saarbrücken – Beschluss vom 07.09.2020 – 5 W 30/20
- Erblasserin errichtet innerhalb von wenigen Monaten zwei Testamente
- Nach dem Erbfall entsteht Streit über die Frage, wer Erbe geworden ist
- Gerichte sehen nur in einem Testament eine Erbeinsetzung
Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte zu entscheiden, welches von zwei Testamenten über die Erbfolge einer Erblasserin bestimmt.
In der Angelegenheit war die Erblasserin im Jahr 2019 verstorben.
Die Erblasserin hatte am 29.08.2011 ein notarielles Testament errichtet und in diesem letzten Willen ihren langjährigen Lebensgefährten als alleinigen Erben eingesetzt.
Erblasserin verfasst ein weiteres Testament
Acht Monate später verfasste die Erblasserin im Jahr 2012 allerdings ein weiteres, dieses Mal handschriftliches, Testament.
In diesem Testament legte die Erblasserin u.a. folgendes fest:
Ich, verfüge heute, dass meine Kröten (von meinem Mann gespart) der oder diejenige Person bekommt die nach mir ‚sieht‘ bez. sich um mich ‚kümmert‘. (Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht hinterlegt). Meine persönlichen Sachen (insbesondere meinen tollen Schmuck) im Schließfach Nr. XX Bank 1 Saar derjenige auch.
Am 01.10.2019 unterzeichnete die Erblasserin eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung. In beiden Urkunden wurde ein Freund der Erblasserin – und gerade nicht ihr Lebensgefährte – als Bevollmächtigter und Ansprechpartner angegeben.
Ein Freund der Erblasserin beantragt einen Erbschein
An ihrem Todestag wies das Konto der Erblasserin ein Guthaben in Höhe von rund 7.500 Euro auf.
Kurz nach dem Ableben der Erblasserin beantragte ein Freund der Erblasserin bei dem zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein, der ihn als alleinigen Erben der Erblasserin ausweisen sollte.
Dieser Freund der Erblasserin stützte seinen Antrag auf das private Testament aus dem Jahr 2012.
Freund will sich bis zuletzt um die Erblasserin gekümmert haben
Zur Begründung führte der Freund aus, dass er derjenige gewesen sei, der sich bis zum Tod der Erblasserin um die Verstorbene gekümmert habe.
Nachdem ihm die Erblasserin ihren Schmuck und ihr Bargeld hinterlassen habe und diese Gegenstände auch den Großteil des Vermögens ausmachen würden, sei er auch, so der Freund der Erblasserin, der alleinige Erbe.
Ergänzend wies der Freund der Erblasserin darauf hin, dass es in der Beziehung der Erblasserin mit ihrem Lebensgefährten zuletzt massive Probleme gegeben habe.
Daher sei es nicht verwunderlich, dass die Erblasserin nicht habe daran festhalten wollen, ihren Lebensgefährten als Erben einzusetzen.
Lebensgefährte der Erblasserin sieht sich selber als Alleinerbe
Diesem Erbscheinsantrag widersprach dann prompt der in den notariellen Testament aus dem Jahr 2011 eingesetzte Lebensgefährte der Erblasserin.
Er führte aus, dass in dem zeitlich späteren privaten Testament aus dem Jahr 2012 alleine Vermächtnisse angeordnet worden seien, die seine Alleinerbenstellung unberührt ließen.
Außerdem führte der Lebensgefährte der Erblasserin an, dass er selber zum Zeitpunkt der Errichtung des privaten Testaments für die Erblasserin Vorsorgebevollmächtigter gewesen sei.
Lebensgefährte der Erblasserin beantragt ebenfalls einen Erbschein
Vor diesem Hintergrund beantragte der Lebensgefährte der Erblasserin selber auf Grundlage des zeitlich früheren notariellen Testaments einen Erbschein als Alleinerbe.
Das Nachlassgericht gab dem Lebensgefährten der Erblasserin Recht und kündigte an, zugunsten des Lebensgefährten einen Erbschein erlassen zu wollen.
Gegen diese Entscheidung legte der Freund der Erblasserin Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Das OLG teilte aber die Rechtsauffassung des Nachlassgericht und wies die Beschwerde als unbegründet ab.
Wurde das notarielle Testament widerrufen?
Das OLG wies in der Begründung seiner Entscheidung darauf hin, dass Anordnungen aus einem zeitlich früheren Testament dann als widerrufen gelten, wenn sie zu Anordnungen in einem zeitlich späteren Testament widersprechen.
Es dürfe aber weder dem zeitlich späteren noch dem zeitlich früheren Testament grundsätzlich mehr Gewicht eingeräumt werden.
Entscheidend sei alleine der Wille des Erblassers.
Das OLG kam vor diesem Hintergrund allerdings zu dem Ergebnis, dass es im zu entscheidenden Fall keinen Widerspruch zwischen dem ersten und dem zweiten Testament gebe.
Erbeinsetzung nur im notariellen Testament
In dem notariellen Testament sei von der Erblasserin eine Erbeinsetzung vorgenommen worden. Das zeitlich spätere private Testament enthalte hingegen lediglich Vermächtnisse und Auflagen.
Für das OLG lag der Schluss nahe, dass die Erblasserin beide kurz hintereinander errichtete Testamente nebeneinander gelten lassen wollte und in dem späteren Testament lediglich den Umgang mit einzelnen Gegenständen ihres Vermögens regeln wollte.
Insbesondere sei auffällig, dass die Erblasserin in ihrem zeitlich späteren Testament keine Regelungen zu einem möglichen Widerruf des ersten Testaments getroffen habe.
War das zweite Testament überhaupt konkret genug?
Auch das – unstreitige – Konfliktpotential in der Beziehung zwischen Erblasserin und Lebensgefährte änderte an der Bewertung durch das Gericht nichts, da es diese atmosphärischen Störungen auch schon zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments gegeben habe.
Nur ergänzend verwies das OLG darauf, dass man an der Wirksamkeit der Vermächtnisanordnung in dem zweiten Testament wegen der eher unbestimmten Bezeichnung des Begünstigten Zweifel haben könnte.
Für die Frage der Erbfolge nach der Erblasserin kam es auf diesen Aspekt aber nicht mehr an.
Alleiniger Erbe der Erblasserin wurde der im notariellen Testament als Erbe eingesetzte Lebensgefährte.
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