Unklarheiten im Testament werden durch Auslegung beseitigt
- Privat errichtete Testamente sind oft unklar formuliert
- Im Zweifel müssen die Gerichte den Willen des Erblassers ermitteln
- Das Gesetz stellt zahlreiche Auslegungsregeln zur Verfügung
Die Väter des BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) waren klug.
Sie haben nämlich dem Gesetz schon mit Inkrafttreten am 01. Januar 1900 zahlreiche Bestimmungen hinzugefügt, die sich mit der Auslegung von Testamenten beschäftigen. Diese Auslegungsregeln haben bis zum heutigen Tag Gültigkeit und sind, dies lehrt die Praxis, bitter notwendig.
Tatsächlich enthalten letztwillige Verfügungen immer wieder Unklarheiten oder auch nur Ungereimtheiten, die, es geht ja oftmals um bedeutende Nachlasswerte, fast zwangsläufig zu Auseinandersetzungen in der Nachlassabwicklung führen.
Klärungsbedarf vor allem bei privat erstellten Testamenten
Zwei Aspekte stehen dabei immer wieder im Vordergrund:
Zum Einen führen unsorgfältige Formulierungen des Erblassers in seinem Testament zu Klärungsbedarf. Klassischer Fall ist hier beispielsweise die testamentarische Bestimmung durch den Erblasser, wonach „seine gesetzlichen Erben“ oder alternativ „meine Erben“ oder „meine rechtmäßigen Erben“ nach seinem Tod die Vermögensnachfolge antreten sollen.
Die Motivation für eine solche Anordnung liegt auf der Hand: Der Erblasser erachtet die vom Gesetz vorgegebene Erbfolge für gerecht und tauglich und will hiervon auch nicht abweichen.
Gesetzliche Erben zum Zeitpunkt des Erbfalls oder der Testamentserrichtung?
Streitpotential liefert eine solche Festlegung im Testament aber schon immer dann, wenn der Kreis der gesetzlichen Erben zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments ein anderer ist, als er es zum Zeitpunkt des Erbfalls, also des tatsächlichen Ablebens des Erblassers ist. Was soll dann gelten?
Können Personen, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments beispielsweise noch gar nicht auf der Welt waren, trotzdem durch die Anordnung, wonach „die gesetzlichen Erben“ bedacht werden sollen, profitieren. Tatsächlich lässt sich diese Frage mithilfe gesetzlicher Auslegungsregeln noch relativ einfach in den Griff bekommen.
Das Gesetz ordnet nämlich im Falle der Erbeinsetzung „der gesetzlichen Erben“ an, dass zur Erbfolge berufen tatsächlich der Personenkreis ist, der zur Zeit des Erbfalls zu den gesetzlichen Erben gehört. Es kommt hier also ausdrücklich nicht auf den Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes an.
Im Testament werden "die Kinder" als Erben eingesetzt
Weitere Unklarheiten kann man in seinem Testament produzieren, wenn man beispielsweise „seine Kinder“ als Erben bedenkt. Hier kann man sich bereits darüber streiten, ob von diesem Begriff lediglich die eigenen leiblichen Kinder umfasst sein sollen oder möglicherweise auch die adoptierten Kinder.
Oder zählen Pflegekinder, die man seit Jahren in der eigenen Familie mit herangezogen, aber eben nicht adoptiert, hat, ebenfalls zur Gruppe derjenigen, die man in dem Testament bedenken wollte? Was soll geschehen, wenn eines der Kinder vorverstirbt?
Soll dessen Erbteil dann auf die verbliebenen Kinder verteilt werden oder sollen die Nachkommen des vorverstorbenen Kindes zum Zuge kommen?
Solche Diskussionen erspart man seinen Erben, wenn man sich bemüht, in das Testament eindeutige Formulierungen aufzunehmen. Dabei ist die namentliche Benennung der Erben in jedem Fall einer Gruppenbezeichnung („Meine Kinder“, „Meine Verwandten“) vorzuziehen.
Vererben und Vermachen ist nicht dasselbe
Holt man sich bei der Abfassung des Testamentes fachkundige Hilfe, dann kann man auch die folgende, immer wieder auftretende sprachliche Verwirrung vermeiden: In vielen Testamenten gebraucht der Erblasser eher umgangssprachlich die Begriffe „vererben“ und „vermachen“.
Tatsächlich ist in vielen Fällen allerdings mit dem Begriff „vererben“ oftmals die Anordnung eines Vermächtnisses gemeint, während viele bei dem Wort „vermachen“ oft wohl tatsächlich an eine Erbeinsetzung denken.
Neben diesen sprachlichen Problemen, die der Text eines Testamentes mit sich bringt, können aber auch die Änderung von äußeren Umständen dazu führen, dass man einen letzten Willen auslegen muss, um den wirklichen Willen des Erblassers festzustellen.
Geänderte Umstände können bei einem Testament Auslegungsbedarf erzeugen
Klassisches Beispiel ist hier beispielsweise eine nach Abfassung des Testaments eintretende Änderung der Rechtslage, z.B. hinsichtlich des ehelichen Güterrechts oder in Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung.
Auch Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse oder Vermögensstruktur des Erblassers, eine Änderung im Verhalten des testamentarisch bedachten Erben können zu Auslegungsbedarf bei einem Testament führen.
Neben einer – am besten mit fachkundiger Unterstützung gefundenen – klaren und exakten Sprache im Testament vermeidet man Nachlassauseinandersetzungen am ehesten dadurch, indem man das einst niedergeschriebene Testament regelmäßig dahingehend überprüft, ob es noch dem aktuellen Stand der Dinge entspricht oder die Änderung der Verhältnisse eine Anpassung erforderlich machen.
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