Gemeinschaftliches Testament von Eheleuten kann nach Scheidung und nachfolgender Wiederverheiratung weiter gelten
BayObLG – Beschluss vom 23.05.1995 – 1Z BR 128/94
- Eheleute errichten ein gemeinsames Testament
- Auch nach einer Scheidung kann dieses Testament wirksam bleiben
- Einzeltestament des Ehemannes kann die Erbfolge nicht ändern
Die Erbfolge nach einem Ehepaar, das sich zunächst scheiden ließ nur um sich drei Jahre später wieder zu verheiraten, hatte das Bayerische Oberste Landesgericht im Jahr 1995 zu klären.
Die Eheleute hatten im Jahr 1948 geheiratet und im Jahr 1954 ein gemeinschaftliches Testament bei einem Notar errichtet. In diesem Testament setzen sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben beim Ableben des zuerst Versterbenden ein.
Nach der Scheidung kommt die Wiederverheiratung
Als Schlusserben nach dem Tod des länger Lebenden sollte eine voreheliche Tochter der Ehefrau zum Zuge kommen.
Im Jahr 1958 wurde die Ehe geschieden. Diesen Schritt bereuten die Eheleute aber offensichtlich kurz darauf, denn sie traten im Jahr 1961 abermals vor den Traualtar und heirateten wiederum.
Im Jahr 1986 setzte die Ehefrau ein weiteres gemeinschaftliches Testament auf, indem sich die Eheleute wiederum als Alleinerben bedachten. Schlusserben sollten eine weitere uneheliche Tochter der Frau und die bereits in dem Testament aus dem Jahr 1954 eingesetzte Tochter sein.
Dieses Testament aus dem Jahr 1986 wurde von dem Ehemann allerdings nicht unterzeichnet.
Ehemann errichtet ein neues Testament
In der Folge verstarb die Ehefrau. Im Jahr 1992 errichtete der Ehemann ein weiteres Testament, in dem er seine Lebensgefährtin als Alleinerbin einsetze.
Nach dem Tod des Ehemannes beantragte die in dem notariellen Testament aus dem Jahr 1954 eingesetzte Erbin den Erlass eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.
Dies gefiel der Lebensgefährtin des Erblassers allerdings nicht. Sie vertrat gegenüber dem Nachlassgericht die Auffassung, dass das Testament aus dem Jahr 1954 durch die im Jahr 1958 erfolgte Scheidung unwirksam geworden sei.
Lebensgefährtin des Erblassers beantragt einen Erbschein
Die Lebensgefährtin hielt vielmehr das Testament aus dem Jahr 1992 für maßgeblich und beantragte ihrerseits einen Erbschein.
Das Nachlassgericht vertrat die Auffassung, dass die Lebensgefährtin Alleinerbin geworden sei. Gegen diese Entscheidung legte die Tochter Beschwerde zum Landgericht ein.
Dort wurde die Entscheidung des Nachlassgerichts tatsächlich korrigiert und man stellte der Tochter die Ausstellung eines Erbscheins in Aussicht. Hiergegen legte die Lebensgefährtin wiederum weitere Beschwerde zum BayObLG ein.
BayObLG bestätigt die Entscheidung des Landgerichts
Das Bayerische Oberste bestätigte jedoch im Ergebnis die Entscheidung des Landgerichts, wenngleich die rechtliche Begründung abweichend war.
Das Landgericht hatte seine Entscheidung noch auf die Erwägung gestützt, dass ein gemeinschaftliches Testament von Ehegatten im Falle der Scheidung zwar gemäß §§ 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) seinem ganzen Inhalt nach unwirksam werde, es nach einer Wiederverheiratung aber wieder auflebe, wenn „dies dem Willen der Ehegatten im Zeitpunkt ihrer Wiederverheiratung entspreche“.
Das BayObLG entschied hingegen, dass ein gemeinschaftliches Ehegattentestament im Falle der Wiederverheiratung unwirksam bleibt.
Das gemeinschaftliche Testament konnte jedoch im Wege der Auslegung gerettet werden. Nach § 2268 BGB bleiben die Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament nämlich insoweit wirksam, als anzunehmen ist, dass sie auch für den Fall der Scheidung der Ehe getroffen sein würden.
Eheleute wollten am alten Testament festhalten
Diese Voraussetzungen bejahte das BayObLG im zu entscheidenden Fall. Die Eheleute hatten nämlich gegenüber Zeugen wiederholt bestätigt, dass es auch nach Scheidung und Wiederverheiratung bei der Erbfolge bleiben sollte, wie im Testament aus dem Jahr 1954 geregelt.
Dieser Umstand wurde auch dadurch bestätigt, dass die Ehefrau Jahrzehnte später und nach Widerverheiratung ein Testament verfasste, in dem sich die Eheleute wiederum gegenseitig als Alleinerben einsetzten.
Die Erbfolgeregelung aus dem Jahr 1954 war also trotz Scheidung wirksam, die dort vorgenommene Erbeinsetzung der Tochter wechselbezüglich, sodass der Ehemann nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1992 nicht mehr abweichend testieren konnte.
Alleinerbin blieb die Tochter nach dem Testament aus dem Jahr 1954.
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