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Kann der überlebende Ehepartner ein gemeinschaftliches Ehegattentestament nach dem ersten Erbfall abändern?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Frankfurt – Beschluss vom 18.05.2020 – 21 W 165/19

  • Eheleute verfassen gemeinsames Testament und setzen ihre beiden Töchter als Schlusserben ein
  • Nach dem Tod des Ehemannes verfasst die Ehefrau ein Einzeltestament und enterbt eine Tochter
  • OLG hält die Erbfolgeregelung in dem zeitlich späteren Einzeltestament für maßgeblich

Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte in einem Erbscheinsverfahren über die Frage zu befinden, ob sich die Erbfolge nach einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament oder nach einem zeitlich späteren Einzeltestament richtet.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar am 18.10.1994 ein gemeinschaftliches, notarielles Testament errichtet.

In diesem Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig für den ersten Erbfall als Alleinerben ein.

Am Schluss sollen die beiden Töchter sollen das Familienvermögen erben

Die beiden Töchter des Ehepaares sollten laut den Festlegungen in dem Testament je zur Hälfte Schlusserben nach dem zuletzt versterbenden Ehepartner werden.

Zur Bindungswirkung dieser Erbfolgeregelung enthielt das gemeinsame Testament folgende Anordnung:

„Sämtliche in diesem Testament niedergelegten Verfügungen sind wechselbezüglich. Sie können daher nur gemeinschaftlich geändert oder durch Widerruf beseitigt werden. Nach dem Tode eines Teils von uns, soll der überlebende Teil aber berechtigt sein, seine Verfügungen abzuändern, jedoch nur in Bezug auf die Verteilung des Vermögens unter unseren gemeinschaftlichen Kindern und deren Abkömmlingen“.

Der Ehemann verstarb im Jahr 2002.

Die Ehefrau errichtet ein abweichendes Einzeltestament

Zeitlich nach dem gemeinsamen Testament errichtete die Ehefrau ein privates Einzeltestament, in dem sie die Tochter 1 als Alleinerbin einsetzte. Tochter 2 solle, so der Inhalt dieses Testaments, nichts erhalten.

Nach dem Tod der Ehefrau im Jahr 2019 beantragte die Tochter 1 gestützt auf das private Einzeltestament ihrer Mutter beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie als alleinige Erbin ihrer Mutter ausweisen sollte.

Tochter 2 war mit diesem Antrag ihrer Schwester nicht einverstanden und verwies auf die Bindungswirkung des gemeinsamen Ehegattentestaments aus dem Jahr 1994.

Nachlassgericht weist den Erbscheinsantrag von Tochter 1 als unbegründet ab

Das Nachlassgericht folgte den Bedenken der Tochter 2, stellte fest, dass von dem Änderungsvorbehalt in dem gemeinsamen Testament nicht die komplette Enterbung einer Tochter gedeckt sei und wies den Erbscheinsantrag der Tochter 1 ab.

Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legte Tochter 1 Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Tatsächlich bewertete das OLG die Angelegenheit abweichend zum Ausgangsgericht, gab der Beschwerde statt und wies das Nachlassgericht an, den von der Tochter 1 erteilten Erbschein zu erteilen.

OLG hebt die Entscheidung des Nachlassgerichts auf

Das OLG vertrat dabei die Auffassung, dass die in dem gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahr 1994 enthaltene Änderungsklausel der zunächst überlebenden Ehefrau die Möglichkeit eingeräumt habe, ihre Erbfolge durch ein späteres Einzeltestament abweichend zu regeln.

Zu diesem eher erstaunlichen Ergebnis gelangte das OLG nach Vernehmung des Notars, der im Jahr 1994 das gemeinsame Testament der Eheleute beurkundet hatte.

Der Notar konnte sich zwar an den Beurkundungsvorgang selber nicht mehr erinnern, bezeugte jedoch, dass er „die Klausel regelmäßig verwendet und damit stets verbunden (habe), der überlebende Ehepartner solle hinsichtlich einer Aufteilung des Erbes unter den eigenen Kindern und deren Abkömmlingen völlig frei sei.“

Aussage des Notars nicht sonderlich stringent

Dabei attestierte das OLG dem Notar sogar, dass seine diesbezüglich Aussage „nicht sonderlich stringent“ gewesen sei.

Auf den Widerspruch, wonach in dem gemeinsamen Testament ausdrücklich vorgesehen war, dass das Testament „wechselbezüglich“ sei und nur „gemeinschaftlich geändert“ werden könne, geht der Beschluss des OLG nicht weiter ein.

Auch wurde in dem Beschluss des OLG offenbar nicht berücksichtigt, dass die Öffnungsklausel in dem notariellen Testament aus dem Jahr 1994 dem überlebenden Ehepartner ausdrücklich nur das Recht einräumte, „seine“ eigenen Verfügungen, nicht aber die des bereits verstorbenen Ehepartners abzuändern.

Insgesamt lässt die Entscheidung des OLG einige Fragen offen.

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