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Eltern vergessen sich im Testament als Erben zu benennen – Gerichte sind unerbittlich

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 12.11.2019 – 31 Wx 183/19

  • Eheleute verfassen ein privates Testament und regeln den ersten Erbfall nicht
  • Nach dem Tod der Ehefrau beantragt der Ehemann einen Erbschein als Alleinerbe
  • Gerichte verwehren die Erteilung des beantragten Erbscheins

Das Oberlandesgericht München hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Ehepaar bei der Regelung der eigenen Erbfolge sehr wohl an seine Kinder gedacht, sich selber aber offenbar komplett übersehen hatte.

Die Eheleute hatten im Jahr 2002 ein eigenhändiges gemeinsames Testament verfasst.

Eheleute denken an die Kinder und nicht an sich

In diesem Testament hatten die Eheleute folgendes festgelegt:

„Wir (Ehemann) und (Ehefrau) wollen dass nach unserem Tod das Haus unser Sohn bekommt.
Er muss aber unserer Tochter 35% ausbezahlen. Wenn noch Geld vorhanden ist, bekommt jedes die Hälfte.
Der Sohn bekommt die Münzen und Vaters Sachen.
Die Tochter bekommt Schmuck, Puppen, Handarbeiten, Kaffee- und Speiseservice, Silber-Besteck.
Unterschriften“

Dieses Testament war von beiden Eheleuten unterzeichnet und formgültig errichtet worden.

In dem Testament war aber kein Hinweis darauf enthalten, welche erbrechtliche Stellung die Eheleute selber haben und wer zum Beispiel der Erbe des zuerst versterbenden Ehepartners werden soll.

Die Ehefrau verstarb dann am 22.08.2018.

Ehemann beantragt beim Nachlassgericht einen Erbschein

Der Ehemann reichte daraufhin das Testament beim Nachlassgericht ein und beantragte einen Erbschein, der ihn, den Ehemann, als alleinigen Erben seiner Frau ausweisen sollte.

Zur wahrscheinlich großen Überraschung des Ehemannes lehnte das Nachlassgericht diesen Erbscheinsantrag ab.

Das Nachlassgericht wies den Ehemann darauf hin, dass in dem vorliegenden Testament die Erbfolge für den Tod des ersten Ehepartners überhaupt nicht geregelt sei.

Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legte der Ehemann Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

OLG weist Beschwerde als unbegründet ab

Beim OLG hielt man aber die rechtliche Einschätzung des Nachlassgerichts für zutreffend und wies die Beschwerde als unbegründet ab.

Insbesondere lehnte es das OLG ab, durch eine Auslegung des Testaments zu dem vom Beschwerdeführer gewünschten (und von den Eheleuten wahrscheinlich auch beabsichtigten) Ergebnis zu gelangen.

Das OLG stellte vielmehr trocken fest, dass eine „Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, … den aufgeführten Formzwecken nicht gerecht werden“ kann. 

Selbst bei Unterstellung eines gemeinsamen Willens der Eheleute, sich für den ersten Erbfall gegenseitig als Erben einzusetzen, gebe das Testament, so das OLG, zu dieser Frage nichts her.

Gerichte haben nicht die Aufgabe, die Nachlassabwicklung zu vereinfachen

Auch der Einwand des Ehemannes, dass die Abwicklung der Erbschaft durch die vom Gericht eingenommene Haltung enorm verkompliziert würde, konnte das OLG nicht umstimmen.

Hierzu ließen die Richter den Ehemann lediglich wissen, dass es „weder die Aufgabe der Nachlassgerichte, noch der diesen nachfolgenden Beschwerdegerichte, im Wege der Auslegung unterbliebene Verfügungen zu kreieren, um eine praktisch erscheinende Abwicklung von Erbfällen zu ermöglichen.“

Im Ergebnis wurde die Erblasserin damit nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge sowohl von ihrem Ehemann als auch von ihren beiden Kindern beerbt.

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