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Testament anfechtbar weil eine Pflegeverpflichtung nicht erfüllt wird?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Thüringen – Beschluss vom 14.01.2015 – 6 W 76/14

  • Eheleute setzen Patenkind als Erben ein und erwarten im Gegenzug Pflegedienste
  • Erblasserin kommt am Ende in ein Pflegeheim
  • Verwandte ficht das Testament nach dem Erbfall mit dem Argument an, es liege ein Irrtum bei den Erblassern vor

Das Oberlandesgericht Thüringen hatte über die Wirksamkeit einer Testamentsanfechtung zu urteilen.

Die Erblasserin war im Alter von 94 Jahren im Jahr 2011 verstorben. Die Erblasserin hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann im Jahr 1972 ein Testament errichtet.

In diesem Ehegattentestament hatten sich die Eheleute zunächst wechselseitig als Erben eingesetzt. Erbe des zuletzt versterbenden Ehepartners sollte nach diesem Testament das Patenkind der Eheleute werden.

Eheleute erwarten Pflegeleistungen vom Pflegekind

In dem Testament war der Hinweis der Eheleute aufgenommen, dass die Erbeinsetzung zugunsten des Patenkindes in der Erwartung erfolge, dass die Eheleute im Bedarfsfall von ihrem Patenkind gepflegt werden.

Sollte das Patenkind dieser Erwartung schuldhaft nicht gerecht werden, so das Testament, könne der überlebende Ehegatte abweichend testieren und einen anderen Erben benennen.

Im Jahr 1973 verstarb der Ehemann der Erblasserin. Im Oktober 2006 zog die Erblasserin zu ihrem Patenkind und wurde ab diesem Zeitpunkt von der Familie des Patenkindes gepflegt.

Patenkind beauftragt einen Pflegedienst

Nachdem die Ehefrau des Patenkindes im Jahr 2008 ihrerseits verstorben war und die Gebrechlichkeit der Erblasserin zunahm, beauftragte das Patenkind einen ambulanten Pflegedienst mit der Pflege der Erblasserin.

Ende 2008 wechselte die Erblasserin in eine Tagespflegeeinrichtung und bezog Ende 2010 schließlich in ein Altenpflegeheim. Im Dezember 2011 verstarb sie dort schließlich.

Nach der Testamentseröffnung erklärte eine Nichte der Erblasserin die Anfechtung des Testaments aus dem Jahr 1972. Die Anfechtung wurde mit dem Argument begründet, das als alleiniger Erbe in dem Testament eingesetzte Patenkind sei seiner Verpflichtung zur Pflege der Erblasserin nicht nachgekommen.

Das Patenkind wiederum beantragte beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der es als alleinigen Erben ausweisen sollte. Gegen diesen Erbscheinsantrag wandte sich die Nichte mit Hinweis auf die erfolgte Anfechtung.

Nachlassgericht will Erbschein erteilen

Nachdem das Nachlassgericht den Beteiligten mitgeteilt hatte, dass es die Anfechtung für unbegründet halte und dem Patenkind den beantragten Erbschein erteilen wolle, legte die Nichte hiergegen Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Das OLG wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Das Nachlassgericht habe zu Recht die Entscheidung getroffen, dem Patenkind einen Erbschein als alleinigem Erben zu erteilen. Ein die Anfechtung des Testaments rechtfertigender Anfechtungsgrund liege nicht vor.

Das OLG wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass der Anfechtungsgrund des § 2078 Abs. 2 BGB, wonach ein Testament dann anfechtbar ist, wenn der Erblasser zur Errichtung seines letzten Willens „durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands“ gebracht worden sei.

Eheleute befanden sich nicht in einem Irrtum

Im vorliegenden Fall könne ein solcher Irrtum auf Seiten der testierenden Eheleute ausgeschlossen werden, da die Eheleute in ihrem Testament ja explizit eine Regelung für den Fall getroffen hatten, dass die von ihnen erwartete Pflege von dem eingesetzten Erben nicht erbracht würde.

Wer aber zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten ins Auge fasse, befinde sich erklärtermaßen nicht in einem Irrtum.

Weiter führte das OLG aus, dass eine Anfechtung eines Testaments nach § 2078 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch dann in Frage komme, wenn der Erblasser in Erwartungen enttäuscht worden sei, über die sich der Erblasser bei der Testamentserrichtung keine konkreten Gedanken gemacht, die er aber als selbstverständlich vorausgesetzt hat.

Worin besteht der Irrtum der Erblasserin?

Hierzu hatte die Beschwerdeführerin nämlich vorgetragen, dass der Irrtum der Erblasserin darin bestehe, dass sie im Zeitpunkt der Testamentserrichtung davon ausgegangen sei, dass sie im maßgeblichen Zeitpunkt geistig überhaupt noch in der Lage sei, eine Verletzung der Pflegeverpflichtung festzustellen und aus diesem Umstand die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

Tatsächlich sei die Erblasserin nämlich, so der Vortrag der Beschwerdeführerin, aufgrund Altersschwäche gar nicht mehr in der Lage gewesen, ihr Testament aufzuheben oder abzuändern.

Das OLG sah allerdings auch in diesem Vortrag keine Rechtfertigung für eine Testamentsanfechtung. Als eine Anfechtung rechtfertigender Irrtum würden nämlich nur schwerwiegende Umstände zählen, die den Erblasser mit Sicherheit dazu gebracht hätten, abweichend zu testieren.

Diese Voraussetzungen sah das Gericht aber nicht als gegeben.

Pflege wurde nicht schuldhaft unterlassen

So verwies das Gericht darauf, dass das Patenkind bzw. dessen Familie die Erblasserin nach ihren Möglichkeiten gepflegt habe. Ein „schuldhaftes“ Unterlassen der Pflege konnten die Richter nicht erkennen.

Nachdem aus dem Testament geschlussfolgert werden konnte, dass die Eheleute eine Pflege ohnehin nur im Rahmen des Zumutbaren erwartet hatten, kam es im Ergebnis auf die Frage, ob die Erblasserin zuletzt noch in der Lage gewesen war, ihr Testament abzuändern nicht an.

Die Beschwerde wurde zurück gewiesen. Alleiniger Erbe war und blieb das Patenkind.

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