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Ein Erbvertrag muss mindestens eine bindende Verfügung enthalten!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Hamm - Beschluss vom 01.04.2020 - 15 W 479/19

  • Eheleute errichten einen Erbvertrag, wollen sich aber ausdrücklich nicht binden
  • Ehemann verfasst Jahre später ein abweichendes Testament
  • Gericht entscheidet: Der „Erbvertrag“ ist tatsächlich nur ein Ehegattentestament

Das Oberlandesgericht Hamm hatte darüber zu befinden, ob eine in einem Erbvertrag enthaltene Erbfolgeregelung durch ein zeitlich späteres Testament abgeändert werden kann.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar im Jahr 1967 bei einem Notar einen Ehe- und Erbvertrag errichtet.

Dieser Erbvertrag sah vor, dass sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben einsetzten.

Die Eheleute wollen keine Bindung

Weiter enthielt der Erbvertrag in Zusammenhang mit der Alleinerbeneinsetzung aber folgende Bestimmung:

Jeder von uns ist berechtigt, vorstehende letztwillige Verfügung zu Lebzeiten beider Eheleute allein und ohne dass ein besonderer Grund aufgetreten ist, nach Belieben zu ändern.

Im Jahr 2015 errichtete der Ehemann ein handschriftliches Testament. In diesem Testament widerrief der Ehemann jegliche zeitlich frühere letztwillige Verfügungen und setze als seinen alleinigen Erben eine Bürgerstiftung ein.

Beim Nachlassgericht gehen sich widersprechende Erbscheinsanträge ein

Nach dem Tod des Ehemannes erreichten das Nachlassgericht zwei sich widersprechende Erbscheinsanträge.

Die Ehefrau beantragte die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin Ihres Mannes. Diesen Antrag stützte die Ehefrau auf den notariellen Erbvertrag aus dem Jahr 1967.

Das zeitlich spätere Testament habe, so die Argumentation der Ehefrau, den Erbvertrag nicht abändern können.

Dem widersprach ein Erbscheinantrag eines Testamentsvollstreckers zugunsten der in dem zeitlich späteren Testament eingesetzten Bürgerstiftung.

Bürgerstiftung sieht sich als alleinigen Erben

Testamentsvollstrecker und Stiftung favorisierten natürlich das Testament und sahen die Stiftung als alleinige Erbin.

Das Nachlassgericht signalisierte, dass es dem Erbscheinsantrag des Testamentsvollstreckers stattgeben wolle.

Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legte die Ehefrau Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Das OLG teilte aber im Ergebnis die Einschätzung des Nachlassgerichts und wies die Beschwerde der Ehefrau als unbegründet ab.

Zeitlich späteres Testament ist wirksam

Das OLG wies in der Begründung seiner Entscheidung darauf hin, dass der Ehemann seine in dem Erbvertrag aus dem Jahr 1967 enthaltene Erbfolgeregelung wirksam durch das Testament aus dem Jahr 2015 abgeändert hatte.

Die als „Erbvertrag“ bezeichnete Urkunde aus dem Jahr 1967 sei, so das OLG, gar kein bindender Erbvertrag im Sinne der §§ 2274 ff. BGB.

Ein Erbvertrag müsse nämlich zumindest eine vertragsmäßige und damit bindende Verfügung im Sinne des § 2278 Abs. 1 BGB enthalten.

Im vorliegenden Fall hatten die Eheleute aber hinreichend deutlich gemacht, dass sie eine solche Bindung gerade nicht wünschen und jeder Ehepartner berechtigt sein soll, zu Lebzeiten abweichend zu testieren.

Die Urkunde, die die Eheleute im Jahr 1967 errichtet hatten, sei, so das OLG, vielmehr als Ehegattentestament zu werten. Nachdem in diesem Ehegattentestament aber ausdrücklich ein – zulässiger – Änderungsvorbehalt vorgesehen war, galt für die Erbfolgeregelung am Ende das Testament aus dem Jahr 2015.

Erbe des Erblassers wurde die Bürgerstiftung und nicht die Ehefrau des Erblassers.

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