Nottestament vor drei Zeugen ist nur bei objektiver Todesgefahr wirksam

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Hamm – Beschluss vom 10.02.2017 – 15 W 587/15

  • Anwältin berät Erblasserin kurz vor ihrem Tod
  • Anwältin wird in einem Nottestament als Testamentsvollstreckerin eingesetzt
  • Nottestament ist unwirksam

Das Oberlandesgericht Hamm hatte in einem Erbscheinverfahren über die Wirksamkeit eines Nottestaments, das vor drei Zeugen errichtet wurde, zu entscheiden.

In der Angelegenheit hatte die geschiedene Erblasserin ihren einzigen Sohn in einem privatschriftlichen Testament vom 31.07.2013 als alleinigen Erben eingesetzt.

Die Erblasserin war an Krebs im Endstadium erkrankt und begab sich am 4.02.2014 zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus.

Am gleichen Tag suchte eine Rechtsanwältin die Erblasserin im Krankenhaus auf. Nachdem der als Alleinerbe eingesetzte Sohn verschuldet war, schlug die Anwältin der Erblasserin vor, in dem Testament eine Testamentsvollstreckung anzuordnen.

Als Testamentsvollstreckerin brachte sich die Anwältin gleich selber ins Gespräch.

Rechtsanwältin verfasst für die Erblasserin ein Nottestament

Den Entwurf eines entsprechenden Testaments stellte die Anwältin der Erblasserin zur Verfügung. Nachdem dieser Entwurf von der Erblasserin aber nicht durch handschriftliche Abfassung in ein wirksames Testament umgesetzt wurde, übersandte die Anwältin der Erblasserin am 13.02.2014 ein als „Nottestament“ bezeichnetes Schriftstück.

Diese Urkunde war von der Anwältin als Niederschrift zum Zwecke der Fertigung eines Nottestamentes verfasst worden.

In diesem als Nottestament bezeichneten letzten Willen blieb es zwar dabei, dass der Sohn alleiniger Erbe der Mutter werden sollte. Es war aber auch eine Dauertestamentsvollstreckung bis zum 65. Lebensjahr des Sohnes angeordnet. Als Testamentsvollstreckerin war in dem Testament die Anwältin vorgesehen.

Dieses Nottestament wurde der Erblasserin am 15.02.2014 im Krankenhaus laut vorgelesen, von der Erblasserin gebilligt und von drei anwesenden Zeugen unterschrieben.

Nur wenige Tage später, am 19.02.2014, verstarb die Erblasserin.

Rechtsanwältin beantragt Erbschein

Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Rechtsanwältin beim Nachlassgericht einen Erbschein, der neben der Erbenstellung des Sohnes auch bezeugen sollte, dass Testamentsvollstreckung angeordnet worden sei.

Diesem Antrag trat der Sohn entgegen. Er argumentierte, dass das Nottestament vom 15.02.2014 unwirksam sei. Maßgebend für die Erbfolge sei mithin das zeitlich frühere Testament aus dem Jahr 2013, das noch keine Testamentsvollstreckung enthalte.

Der Sohn stellte selber einen entsprechenden Erbscheinsantrag.

Das Nachlassgericht folgte dem Erbscheinsantrag der Rechtsanwältin und wies den Erbscheinsantrag des Sohnes zurück.

Hiergegen legte der Sohn Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Das OLG gab der Beschwerde auch statt und hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf.

OLG: Nottestament ist unwirksam

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass die Voraussetzungen für ein Nottestament im vorliegenden Fall nicht gegeben waren. Das Nottestament war mithin unwirksam und die Erbfolge richtete sich nach dem zeitlich früheren Testament aus dem Jahr 2013.

Ein wirksames Drei-Zeugen-Testament habe, so das OLG, gemäß § 2250 Abs. 2 BGB zur Voraussetzung, „dass der Testierende sich in so naher Todesgefahr befindet, dass voraussichtlich weder die Errichtung eines Testaments vor einem Notar noch vor einem Bürgermeister nach § 2249 BGB möglich ist.“

Die Gefahr des Todes bzw. der Testierunfähigkeit müsse dabei, so das OLG weiter, „entweder objektiv vorliegen oder subjektiv nach Überzeugung aller drei Testamentszeugen bestehen“.

Das OLG verneinte in seiner Entscheidung beide Voraussetzungen.

So hatte bereits einer der drei Zeugen, die das Testament unterschrieben hatten, in seiner Aussage vor Gericht mitgeteilt, dass sich die Erblasserin seiner Auffassung nach zum Zeitpunkt der Errichtung des Nottestaments nicht in akuter Todesgefahr befunden habe.

Objektive Todesgefahr war nicht gegeben

Und auch objektiv war das OLG nicht von der nahen  Todesgefahr der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Nottestaments überzeugt.

Für die Annahme einer akuten Todesgefahr reiche es jedenfalls nicht aus, so das OLG, „dass der Erblasser … wegen einer fortgeschrittenen nicht (mehr) heilbaren Erkrankung nur noch kurze Zeit zu leben hat“.

Entscheidend sei vielmehr, dass das Ableben des Erblassers vor dem Eintreffen eines Notars ernstlich zu befürchten sei.

Nachdem sich die Erblasserin am 15.02.2014 noch nicht in einem so bedrohlichen Zustand befunden habe, sei, so das OLG, das Nottestament unwirksam.

Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Erblasserin nur vier Tage später tatsächlich verstorben sei.

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