„Ich vermache meinem Lebensgefährten ein lebenslanges Nutzungsrecht an meinem Vermögen“ – Was bedeutet dieser Satz in einem Testament?
OLG Karlsruhe – Urteil vom 01.10.2024 – 14 U 144/23
- Eine Erblasserin verfasst ein absolut unklares Testament
- Die Erben streiten vor Gericht über den Inhalt des Testaments
- Das Erbscheinverfahren als auch eine nachfolgende Erbenfeststellungsklage endet mit einem eindeutigen Ergebnis
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte nach einem Erbfall die Erbfolge auf Grundlage eines von einem juristischen Laien formulierten Testaments zu klären.
In der Angelegenheit war eine kinderlose Erblasserin Anfang 2020 im Alter von 82 Jahren verstorben.
Die Erblasserin hatte im Jahr 2019 ihren Lebensgefährten geheiratet, mit dem sie vorher 27 Jahre eine nichteheliche Lebensgemeinschaft geführt hatte.
Die Erblasserin errichtet ein wirksames Testament
Die Erblasserin hatte im Jahr 2011 ein handschriftliches Testament errichtet, das aus einem einzigen Satz bestand:
„Ich vermache im Falle meines Todes meinem Lebensgefährten solange er lebt Nutzungsrecht über mein Vermögen.“
Weitere Anordnungen über diesen einen Satz hinaus enthielt das Testament nicht.
Die Erblasserin verfügt über namhaftes Vermögen
Das Vermögen der Erblasserin bestand unter anderem aus zwei Wohnhäusern sowie landwirtschaftlichen Flächen.
Nach dem Ableben der Erblasserin im Jahr 2020 brach zwischen dem Ehemann der Erblasserin einer Nichte der Erblasserin ein Streit über die Erbfolge aus.
Der Ehemann der Erblasserin beantragte bei dem zuständigen Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, wonach er alleiniger Erbe der Erblasserin geworden sei.
Das Nachlassgericht gibt einen entscheidenden Hinweis
Das Nachlassgericht teilte dem Ehemann daraufhin mit, dass dem Testament aus dem Jahr 2011 gar keine Erbeinsetzung zu entnehmen sei. Vielmehr vertrat das Nachlassgericht die Auffassung, dass dem Testament lediglich ein Nießbrauchsvermächtnis zugunsten des Ehemannes zu entnehmen sei.
Daraufhin änderte der Ehemann seinen Erbscheinsantrag ab. Sein Antrag ging nunmehr dahin, dass er selber in dem Erbschein als gesetzlicher Erbe zu ¾ und die Nichte der Erblasserin und zwei weitere Geschwister der Nichte als Erben zu je 1/12 ausgewiesen sein sollten.
Um den Inhalt des so vom Ehemann beantragten Erbscheins wurde in der Folge sowohl vor dem Nachlassgericht als auch in der Beschwerdeinstanz vor dem Oberlandesgericht gestritten.
Der Ehemann erhält den von ihm beantragten Erbschein
Am Ende obsiegte aber der Ehemann der Erblasserin mit seinem Antrag und der Erbschein wurde, wie vom Ehemann beantragt, erlassen.
Damit war die Angelegenheit aber für die Nichte der Erblasserin noch lange nicht erledigt.
Die Nichte der Erblasserin erhob nämlich nunmehr Klage auf Feststellung, dass der Ehemann lediglich als Vorerbe seiner verstorbenen Frau eingesetzt worden sei und die gesetzlichen Erben als Nacherben eingesetzt worden seien.
Diese Erbfolge entnahm die Nichte der Erblasserin dem – zugegebenermaßen unklaren – Testament der Erblasserin aus dem Jahr 2011.
Sollte das Vermögen in der Familie bleiben?
Die Nichte trug in diesem Zusammenhang ergänzend vor, dass die Erblasserin stets versichert habe, dass ihr Vermögen „in der Familie“ bleiben solle und sie ihren Ehemann nach ihrem Tod lediglich finanziell absichern wolle.
In erster Instanz wurde die von der Nichte erhobene Klage auf Feststellung einer Vor- und Nacherbschaft vom Landgericht abgewiesen.
Gegen das Urteil des Landgerichts legte die Nichte Berufung zum Oberlandesgericht ein.
Die Klägerin verliert auch das Berufungsverfahren
Vor dem OLG verlor die Nichte der Erblasserin aber erneut.
Das OLG bestätigte in seiner Entscheidung diejenige Erbfolge, die von den Gerichten auch bereits im abgeschlossenen Erbscheinverfahren favorisiert worden war.
Eine Auslegung des Testaments in Richtung einer von der Erblasserin dort angeordneten Vor- und Nacherbschaft komme, so das OLG, nicht in Betracht.
Für eine solche – denklogisch mögliche – Auslegung des Testaments sei die Nichte der Erblasserin als Klägerin beweispflichtig.
Einen solchen Beweis habe die Klägerin aber nicht geführt.
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