Eheleute setzen im gemeinsamen Testament ihre „gesetzlichen Erben“ als Schlusserben ein – Kann die zweite Ehefrau nach dem Tod des Ehemannes erben?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Düsseldorf – Beschluss vom 20.01.2021 – 3 Wx 245/19

  • Ehepaar bestimmt in seinem Testament für den zweiten Erbfall die gesetzliche Erbfolge als maßgeblich
  • Nach dem Tod der Ehefrau heiratet der Ehemann erneuet und setzt seine neue Frau in einem Testament als Erbin ein
  • Nach dem Tod des Ehemannes entsteht zwischen Kindern und der zweiten Ehefrau Streit

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte auf Grundlage mehrerer Testamente über die Erbfolge nach dem Tod eines Ehemannes und Vaters zu entscheiden.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar fünf Kinder.

Das Ehepaar verfasste am 11.10.1998 ein gemeinsames Ehegattentestament.

Eheleute setzen sich im Testament gegenseitig als Erben ein

In diesem Testament setzten sich die Eheleute für den ersten Erbfall zunächst gegenseitig als alleinige Erben ein.

Für den Fall des Ablebens des zweiten Ehepartners verfügten die Eheleute wie folgt:

„Nach unserer beider Tod soll die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten.“

In der Folge verstarb zunächst die Ehefrau und wurde von Ihrem Mann als Alleinerben beerbt.

Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratet der Mann erneut

Nachfolgend heiratete der Ehemann erneut und errichtete am 04.04.2014 ein weiteres Testament.

In diesem neuen Testament setzte der Ehemann seine zweite Ehefrau als Erbin zu ½ und seine fünf Kinder als Erben zu je 1/10 ein.

Nach dem Ableben des Ehemannes gerieten die zweite Ehefrau mit einem Teil der Kinder über die Frage der Erbfolge in Streit.

Zweite Ehefrau beantragt beim Nachlassgericht einen Erbschein

Die zweite Ehefrau des Erblassers favorisierte das zeitlich spätere Testament aus dem Jahr 2014 und beantragte beim Nachlassgericht entsprechend einen Erbschein, der sie als hälftige Erbin des Verstorbenen ausweisen sollte.

Eines der Kinder legte gegen diesen Antrag Widerspruch ein und verwies darauf, dass es ihrer Mutter auf die gesetzliche Erbfolge im Zeitpunkt der Errichtung der Errichtung des ersten Testaments aus dem Jahr 1998 angekommen wäre.

An die Möglichkeit einer Wiederverheiratung ihres Ehemannes, so die Argumentation der Kinder, hätte die erste Ehefrau gar nicht gedacht.

Nachlassgericht will dem Erbscheinsantrag der zweiten Ehefrau stattgeben

Das Nachlassgericht vertrat in einem etwas undurchsichtigen Beschluss die Auffassung, dass sich die Erbfolge nach dem Testament aus dem Jahr 1998 richten würde und stellte in Aussicht der zweiten Ehefrau den beantragten Erbschein erteilen zu wollen.

Zwei der betroffenen Kinder legten gegen diesen Beschluss des Nachlassgerichts Beschwerde zum Oberlandegericht ein.

Das OLG gab der Beschwerde der Kinder statt und hob den Beschluss des Nachlassgerichts auf.

OLG kritisiert die Begründung des Nachlassgerichts

Dabei kritisierte das OLG allerdings nicht das Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens.

Auch das OLG vertrat die Auffassung, dass die zweite Ehefrau Erbin zu ½ ihres Ehemannes geworden war.

Anders als das Nachlassgericht stützte das OLG diese Rechtsfolge aber nicht auf das gemeinsame Ehegattentestament aus dem Jahr 1998, sondern auf das notarielle Einzeltestament des Erblassers aus dem Jahr 2014.

Das OLG wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass der Ehemann trotz des gemeinsamen Ehegattentestaments aus dem Jahr 1998 nicht daran gehindert war, im Jahr 2014 ein neues Testament zu errichten.

Schlusserbenbestimmung im gemeinsamen Testament ist nicht wechselbezüglich und nicht bindend

Die Regelung der Eheleute in dem gemeinsamen Testament aus dem Jahr 1998, wonach am Ende die gesetzliche Erbfolge gelten soll, sei nämlich, so das OLG, für den Ehemann nicht bindend gewesen.

Regelmäßig sei nämlich die Schlusserbeneinsetzung des Überlebenden im Verhältnis zur Schlusserbeneinsetzung des Erstversterbenden nicht wechselbezüglich im Sinne von § 2271 Abs. 2 BGB.

Es widerspreche nämlich der Lebenserfahrung, dass „Eltern ihre Kinder nur mit Rücksicht auf die Verfügung des anderen einsetzen.“

Im Ergebnis war damit das zeitlich spätere Testament aus dem Jahr 2014 für die Erbfolge maßgebend.

Ergänzend wies das OLG darauf hin, dass sich die gleiche Rechtsfolge auch aus der Regel in § 2066 BGB ergebe.

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