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Eheleute setzen ihre Tochter in einem gemeinschaftlichen Testament als Erbin ein – Von diesem Testament geht keine Bindungswirkung aus!

Von: Dr. Georg Weißenfels

KG – Beschluss vom 17.02.2021 – 6 W 1071/20

  • Eheleute errichten ein gemeinsames Testament und setzen ihre Tochter als Alleinerbin ein
  • Nach dem Ableben der Ehefrau verfasst der Ehemann ein abweichendes Einzeltestament
  • Tochter will das Einzeltestament zu Fall bringen

Das Kammergericht Berlin hatte über die Frage zu entscheiden, ob von einem gemeinsamen Ehegattentestament eine Bindungswirkung ausgeht.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar am 07.07.1992 ein gemeinschaftliches Testament errichtet.

In diesem Testament hatten sich die Eheleute zunächst gegenseitig als alleinige Erben eingesetzt.

Eheleute verfassen ein neues gemeinsames Testament

Die gemeinsame Tochter hatten die Eheleute in diesem Testament als Schlusserbin nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehepartners benannt.

Dieses Testament aus dem Jahr 1992 widerriefen die Eheleute aber in einem neuen gemeinsamen Testament vom 21.03.1997.

Dieses neue Testament unterschied sich grundlegend von dem zeitlich früheren Testament aus dem Jahr 1992.

Tochter wird von Vater und Mutter als Alleinerbin eingesetzt

In dem neuen Testament setzten nämlich beide Eheleute ihre Tochter als ihre alleinige Erbin ein.

In der Folge verstarb die Ehefrau und wurde nach dem Testament aus dem Jahr 1997 von ihrer Tochter beerbt.

Am 12.04.2019 errichtete der Ehemann ein neues Testament.

In diesem Testament ordnete der Ehemann für den Fall seines Ablebens die gesetzliche Erbfolge an.

Einzeltestament enthält die Anordnung einer Testamentsvollstreckung

Gleichzeitig enthielt das Einzeltestament des Ehemannes die Anordnung einer Testamentsvollstreckung.

Ebenfalls wurde in dem Testament ein Vermächtnis zugunsten der Tochter und zugunsten eines Freundes des Ehemannes angeordnet.

Nach Errichtung seines Einzeltestaments verstarb der Erblasser.

Das Einzeltestament aus dem Jahr 2019 gefiel der Tochter des Erblassers nicht so gut, wie die Erbfolgeregelung in dem gemeinsamen Testament ihrer Eltern aus dem Jahr 1997.

Tochter wird durch das Einzeltestament ihres Vaters schlechter gestellt

Die Tochter des Erblassers war zwar nach der im Einzeltestament angeordneten gesetzlichen Erbfolge die alleinige Erbin ihres Vaters.

Der Erblasser hatte seine Tochter in seinem Einzeltestament aber sowohl mit einem Vermächtnis zugunsten seines Freundes als auch mit einer Testamentsvollstreckung in ihren Rechten beschränkt.

Als die im Einzeltestament des Erblassers benannte Testamentsvollstreckerin bei dem zuständigen Nachlassgericht ihr Testamentsvollstreckerzeugnis beantragte, eskalierte die Situation.

Tochter macht Bindungswirkung des gemeinsamen Testaments geltend

Die Tochter des Erblassers wehrte sich mit dem Argument gegen die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses, dass die Anordnung der Testamentsvollstreckung in dem Einzeltestament ihres Vaters aus dem Jahr 2019 gar nicht wirksam sei, da ihr Vater an die Erbfolgeregelung in dem gemeinsamen Testament aus dem Jahr 1997 gebunden gewesen sei.

Nach Auffassung der Tochter habe ihr Vater nicht zu ihren Lasten abweichend von dem gemeinsamen Ehegattentestament testieren dürfen.

Das Nachlassgericht teilte diese Rechtsauffassung nicht und stellte die Erteilung des beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses in Aussicht.

Tochter legt Beschwerde ein

Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legte die Tochter des Erblassers Beschwerde zum Kammergericht ein.

Das Kammergericht teilte aber die rechtliche Beurteilung des Nachlassgerichts und wies die Beschwerde der Tochter als unbegründet ab.

Das Kammergericht wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass sich bei der unbeschränkten Einsetzung der gemeinsamen Tochter in dem gemeinsamen Testament der Eheleute aus dem Jahr 1997 um keine wechselbezügliche Verfügung im Sinne des § 2270 BGB handeln würde und der Erblasser aus diesem Grund auch nicht gehindert war, nach dem Tod seiner Ehefrau ein weiteres Testament zu errichten.

Nicht jedes gemeinsame Testament entfaltet Bindungswirkung

Nicht von jedem gemeinsamen Testament gehe, so das KG, eine Bindungswirkung aus.

Wechselbezüglich und bindend seien nur solche testamentarische Verfügungen von Eheleuten, bei denen die Verfügung des einen Ehepartners nicht ohne die Verfügung des anderen Ehepartners getroffen worden wäre.

Diese für eine Bindungswirkung einer Verfügung erforderliche Abhängigkeit konnte das Kammergericht in dem gemeinsamen Testament der Eheleute aus dem Jahr 1997 nicht erkennen.

Erbfolgeregelung kann durch Einzeltestament abgeändert werden

Dem überlebenden Ehepartner war es in dem zu entscheidenden Fall demnach nicht verwehrt, auch nach dem Ableben des zuerst versterbenden Partners seine Erbfolgeregelung zu ändern.

Damit stand es dem Erblasser insbesondere frei, in seinem Einzeltestament eine Testamentsvollstreckung anzuordnen oder auch ein Vermächtnis zugunsten einer dritten Person auszusetzen.

Eine wie auch immer geartete Bindungswirkung des gemeinsamen Ehegattentestamentes stand der Wirksamkeit eines solchen Einzeltestamentes nicht im Wege.

Das beantragte Testamentsvollstreckerzeugnis konnte daher antragsgemäß erteilt werden.

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