Gemeinsames Ehegattentestament – Was darf der überlebende Ehepartner nach dem ersten Erbfall?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Eheleute binden sich durch gemeinsames Testament
  • Bindungswirkung kann ein abweichendes Einzeltestament aushebeln
  • Bindungswirkung besteht ausdrücklich auch nach dem Ableben des Ehepartners

Häufig regeln Eheleute ihre Erbfolge zusammen in einem so genannten gemeinsamen Testament.

Ein solches gemeinsames Ehegattentestament zeugt zunächst einmal von wechselseitigem Vertrauen der Ehepartner.

Abgestimmte Erbfolgeregelung von Eheleuten in einem gemeinsamen Testament

Jeder der beiden Partner weiß bei Abfassung eines gemeinsamen Testaments von der Erbfolgeregelung des anderen. Die Partner können ihre jeweilige Nachlassregelung unproblematisch aufeinander abstimmen.

Neben diesem vertrauensbildenden Effekt hat ein gemeinsames Testament aber auch noch erhebliche rechtliche Auswirkungen. Die Eheleute regeln in einem gemeinsamen Testament nämlich nicht nur ihre jeweilige Erbfolge.

Darüber hinaus wird durch ein gemeinsames Testament in aller Regel auch eine Bindung der Eheleute an ihre Erbfolgeregelung erzeugt.

Wechselbezügliche Verfügungen binden die Ehepartner

Immer dann, wenn die Eheleute in das gemeinsame Testament so genannte „wechselbezügliche Verfügungen“ nach § 2270 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) aufgenommen haben, dann haben sie sich auch automatisch aneinander gebunden.

Wechselbezüglich sind solche Verfügungen, die ein Ehegatte nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen hätte.

Klassisches Beispiel für eine solche wechselbezügliche Verfügung ist die wechselseitige Erbeinsetzung der Eheleute in dem Testament und eine Schlusserbeneinsetzung eines gemeinsamen Kindes. Solche Regelungen in einem gemeinsamen Testament sind für die Eheleute regelmäßig bindend.

Die Bindungswirkung in einem gemeinsamen Testament wirkt sich dergestalt aus, dass die Eheleute eine wechselbezügliche Verfügung bereits zu Lebzeiten nicht mehr ohne weiteres widerrufen können.

Einem durch ein gemeinsames Testament gebundenen Ehepartner ist es demnach grundsätzlich verwehrt, in einem zeitlich späteren eigenen Testament Regelungen zu treffen, die dem gemeinsamen Testament widersprechen.

Bindungswirkung gilt über den Tod hinaus

Noch deutlicher wird die von einem gemeinsamen Testament ausgehende Bindungswirkung vom Gesetz für den Fall des Versterbens des ersten Ehepartners beschrieben.

Nach § 2271 Abs. 2 BGB gilt nämlich folgendes:

Das Recht zum Widerruf (einer wechselbezüglichen Verfügung) erlischt mit dem Tode des anderen Ehegatten.

Bei einem gemeinsamen Testament besteht also nach dem Tod des zuerst versterbenden Partners eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Regelungen in einem zeitlich späteren Testament oder Erbvertrag des überlebenden Partners unwirksam sind.

Schlechterstellung des Bedachten ist unzulässig

Soweit eine Bindungswirkung durch zumindest eine wechselbezügliche Verfügung in dem gemeinsamen Testament besteht, ist es dem überlebenden Ehepartner nicht möglich, den in dem gemeinsamen Testament bindend Bedachten durch eine einschränkende Anordnung schlechter zu stellen.

Dieser Grundsatz ist dabei durchaus umfassend zu verstehen.

Eine Schlechterstellung des bindend Bedachten ist immer mit einer auch nur wirtschaftlichen Einschränkung oder Verringerung seines Erbrechts zu verbunden.

Dem überlebenden Partner ist es – soweit die Bindung besteht – auch nicht mehr möglich, ein Vermächtnis zugunsten einer dritten Person auszusetzen. Dies soll selbst dann gelten, wenn der überlebende Ehepartner mit dem Vermächtnis eine Dankesschuld begleichen will.

Ebenfalls unwirksam ist eine zu Lasten des bindend Bedachten nachträglich angeordnete Testamentsvollstreckung oder auch nur eine Teilungsanordnung.

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