Die drei Nachteile des Berliner Testaments für Eheleute

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Kinder können ihren Pflichtteil einfordern
  • Man bezahlt mehr Erbschaftsteuer als notwendig
  • Ein Berliner Testament bindet die Eheleute

Wenn sich Ehegatten mit gemeinsamen Kindern keine Gedanken über eine Scheidung, sondern über die Regelung der eigenen Erbfolge machen, dann werden sie früher oder später mit dem Begriff des „Berliner Testaments“ konfrontiert.

Dieser Begriff ist im Gesetz nirgendwo definiert, sondern beschreibt eine für Eheleute mit gemeinsamen Kindern typische Erbfolgeregelung:

Die Eheleute setzen sich in ihrem letzten Willen gegenseitig zu Alleinerben ein. Jeder Euro und das gesamte Vermögen des Verstorbenen geht also zunächst an den überlebenden Ehegatten.

Am Ende sollen die Kinder alles erben

Nach dem Tod des zunächst überlebenden Ehepartners sollen dann die gemeinsamen Kinder das Familienvermögen erben.

Das Berliner Testament regelt das Erbe für den Fall, dass es in der betroffenen Familie keine Scheidung der Ehegatten gegeben hat. Im Fall einer Scheidung ist ein Berliner Testament regelmäßig nicht mehr wirksam.

Eine solche Gestaltung der Erbfolge durch ein Berliner Testament innerhalb einer Familie ist ebenso weit verbreitet, wie sie im Einzelfall nach dem Tod der Eheleute auch zu vernünftigen Ergebnissen führt.

Ein Berliner Testament sichert den überlebenden Ehepartner ab

Der Ehegatte ist im Falle des Berliner Testaments zu Lebzeiten wirtschaftlich abgesichert und gleichzeitig ist sichergestellt, dass das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen und jeder Euro in der Familie bleibt.

Ehegatten, die sich zur Regelung ihrer Erbfolge im Rahmen eines Berliner Testaments entschieden haben, müssen sich darüber im Klaren sein, dass ein Berliner Testament auch Nachteile mit sich bringt.

Der Grund für diese Nachteile liegt in den gesetzlichen Vorgaben, in die sich ein Berliner Testament und die durch dieses Testament ausgelösten Rechtsfolgen einfügen müssen. Diese gesetzlichen Vorgaben können Eheleute nicht gänzlich ausschalten.

Das Berliner Testament hat auch Nachteile

Hat man die mit einem Berliner Testament verbundenen Nachteile aber vor Errichtung seines letzten Willens erst einmal verortet, kann man gemeinsam mit seinem Partner durch eine entsprechende Anpassung und Optimierung des Berliner Testaments die Nachteile zumindest stark abmildern und das Erbe nach dem Tod trotzdem wunschgemäß verteilen.

Bei allen unbestreitbaren Nachteilen, die ein Berliner Testament mit sich bringt, bleibt aber ein Fakt bestehen: Auch alternative Erbfolgeregelungen zum Berliner Testament durch die Eheleute sind nie gänzlich frei von Nachteilen für alle Betroffenen und vor allem die Partner.

Dem Grunde nach spricht also in vielen Fällen nichts dagegen, das Berliner Testament als Basis für die Regelung der Erbfolge und das Erbe von Eheleuten zu nutzen.

Nachteil Nummer eins: Die Pflichtteilsansprüche der Kinder

Das Berliner Testament sieht bekanntlich vor, dass sich die Eheleute und Partner wechselseitig als Erben einsetzen. Mit dieser Erbfolgeregelung ist aber auch gleichzeitig eine Enterbung der gemeinsamen Kinder nach dem ersten Erbfall, dem Ableben des zuerst versterbenden Ehepartners verbunden.

Wenn der Partner verstirbt, wird der überlebende Ehegatte alleiniger Erbe und erhält  zunächst das ganze Vermögen und jeden Euro des Verstorbenen.

Kinder, die durch ein Berliner Testament von der Erbfolge nach einem Ehegatten ausgeschlossen sind, werden zwar Schlusserben, können aber nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten regelmäßig ihren Pflichtteil fordern, § 2303 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Pflichtteilsforderungen der Kinder können den überlebenden Ehegatten belasten

Eltern, die sich also nichts ahnend ihren Partner als Alleinerben und gleichzeitig ihre gemeinsamen Kinder als so genannte Schlusserben einsetzen, müssen nach dem ersten Erbfall damit rechnen, dass sie von ihren Kindern mit der Forderung konfrontiert werden, wonach der überlebende Elternteil dem Kind den Pflichtteil in Euro auszahlen möge.

Solche Pflichtteilsforderungen durch Kinder als Schlusserben nach Eintritt des ersten Erbfalls in Höhe von vielen Tausend Euro sind natürlich absolut unerwünscht, lassen sich jedoch bei einem Berliner Testament nicht ausschließen.

Wenn das den Pflichtteil fordernde Kind Ernst macht, muss der überlebende Ehegatte zuweilen nicht wenige Euro zahlen.

Wenn ein solches Szenario nach dem Tod des ersten Ehegatten nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, bestehen vor allem zwei Strategien, mit denen einer Geltendmachung des Pflichtteils im ersten Erbfall entgegen gewirkt werden kann.

Eltern können Pflichtteilsstrafklauseln in das Berliner Testament aufnehmen

Üblich und weit verbreitet sind so genannte Pflichtteilsstrafklauseln in das Testament.

Mit Hilfe einer solchen Klausel ordnen die Eltern an, dass ein Kind, das, obwohl im Testament als Schlusserbe eingesetzt, nach Eintritt des ersten Erbfalls Pflichtteilsansprüche geltend macht, im zweiten Erbfall nach dem Tod des zunächst überlebenden Ehegatten entsprechende finanzielle Nachteile erleidet.

Üblich ist hier zum Beispiel die Anordnung, dass das fragliche Kind auch im zweiten Erbfall nur seinen Pflichtteil erhalten soll und nicht mehr Schlusserbe wird.

Mit einer Pflichtteilsstrafklausel wird also Druck auf die Kinder und Schlusserben ausgeübt, sich sehr genau zu überlegen, ob sie tatsächlich bei dem Tod des ersten Partners von ihrem Pflichtteilsrecht Gebrauch machen wollen.

Zu Gänze verhindern kann dies jedoch beim Tod des ersten Partners auch eine noch so ausgefeilte Pflichtteilsklausel im Berliner Testament nicht.

Vermächtnis für die Kinder im Berliner Testament aussetzen?

Die wesentlich weichere Variante, Kinder von der Geltendmachung ihrer Pflichtteilsansprüche im ersten Erbfall abzuhalten, besteht darin, zu Gunsten der Kinder ein Vermächtnis auszusetzen.

Es bleibt in diesem Fall zwar dabei, dass die Kinder durch die alleinige Erbeinsetzung des Ehepartners im ersten Erbfall von der Erbfolge ausgeschlossen sind und unter den Voraussetzungen des § 2307 BGB den Pflichtteil fordern können, jedoch dürfte der wirtschaftliche Anreiz für die Kinder, die über ein Vermächtnis im ersten Erbfall nicht auf „Null“ gesetzt werden, den Pflichtteil zu verlangen, stark gemindert werden.

Gleichzeitig kann die Vermächtnislösung dazu genutzt werden, Steuerfreibeträge der Kinder bei der Erbschaftsteuer zu nutzen und so Vermögen steuerfrei auf die nächste Generation zu übertragen.

Nachteil Nummer zwei: Die Bindung der Eheleute an die Erbfolgeregelung

Ein weiterer Nachteil, der im Zusammenhang mit einem Berliner Testament auftreten kann, ist die Bindungswirkung, die von dem Testament vor allem für den überlebenden Ehegatten ausgeht.

Ist der erste Erbfall nämlich erst eingetreten und ist der eine Ehegatte verstorben, dann geht in aller Regel von der in dem gemeinsam errichteten Testament eine Bindungswirkung aus.

Der überlebende Ehegatte ist also nach Eintritt des ersten Erbfalls nicht mehr frei in Bezug auf die Regelung seiner eigenen Erbfolge.

Soll sich der überlebende Ehegatte von dem Testament lösen können?

Entscheidet sich der überlebende Ehegatte aber zum Beispiel dafür, erneut eine Ehe einzugehen, dann kann sich der überlebende und neu heiratende Ehepartner von dem bereits existierenden und nach wie vor wirksamen Berliner Testament nicht ohne weiteres verabschieden und neu testieren.

Diese Bindung des überlebenden Ehegatten ist beim Berliner Testament immanent und dürfte in aller Regel von den Eheleuten auch gewünscht sein.

Will man dem überlebenden Ehepartner hier Flexibilität verschaffen, dann muss man in das Berliner Testament Regelungen aufnehmen, dass und vor allem in welchem Umfang der überlebende Ehepartner nach dem ersten Erbfall von der Bindungswirkung des Berliner Testaments befreit sein soll.

Nachteil Nummer drei: Freibeträge bei der Erbschaftsteuer verfallen ungenutzt

Das Berliner Testament geht in seiner Urform davon aus, dass der überlebende Ehepartner im ersten Erbfall alles, die Kinder nichts erhalten.

Diese Erbfolgeregelung führt erbschaftsteuerrechtlich zwangsläufig dazu, dass im ersten Erbfall nur der überlebende Ehepartner seinen – gegebenenfalls nicht ausreichenden – Freibetrag von der Erbschaftsteuer in Höhe von derzeit 500.000 Euro nutzen kann.

Der Freibetrag eines Kindes in Höhe von 400.000 verfällt hingegen ungenutzt, da das Kind im ersten Erbfall ja von der Erbfolge ausgeschlossen ist und gerade nichts erhalten soll.

Unter dem Gesichtspunkt der Steuervermeidung ist das Berliner Testament also eher suboptimal.

Wenn – entsprechend vermögende – Ehegatten in diesem Punkt Handlungsbedarf sehen, so kann durch lebzeitige Zuwendungen oder auch im Berliner Testament schon für den ersten Erbfall zugunsten der Kinder angeordneten Vermächtnissen dafür gesorgt werden, dass im Erbschaftsteuergesetz vorgesehene Steuerbefreiungen nicht nutzlos verfallen.

Für den Fall der Scheidung der Eheleute gilt das Berliner Testament in aller Regel nicht mehr, § 2077 BGB. Der Fall der Scheidung muss also im Berliner Testament nicht ausdrücklich geregelt werden.

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